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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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wirbeln, sehe sie über dem letzten Schiff wirbeln.« Scharteke machte eine Pause. »Sie wirbeln noch immer.« Dann war sie fort.
    Baruks Schultern sanken herab. Er wandte sich wieder der Karte auf dem Tisch zu und betrachtete die elf ehemaligen Freien Städte, über denen jetzt die Fahne des Imperiums wehte. Nur Darujhistan war noch übrig, die Zwölfte - und die Letzte, die nicht von einer burgunderrotgrauen Flagge markiert war. »So schwindet die Freiheit dahin«, murmelte er.
    Plötzlich stöhnten die Wände um ihn herum auf, und Baruk begann zu keuchen, als sich ein enormes Gewicht auf ihn zu legen schien. Das Blut pochte in seinem Kopf, sandte Nadeln aus Schmerz durch seinen Körper. Er griff Halt suchend nach der Kante des Kartentischs. Das Licht der leuchtenden Kugeln, die von der Decke herabhingen, wurde schwächer und erlosch schließlich ganz. In der Dunkelheit hörte der Alchemist, wie Risse die Wände hinunterliefen, als ob sich die Hand eines Riesen auf das Gebäude gelegt hätte. Dann verschwand der Druck schlagartig. Baruk strich sich mit einer zitternden Hand über die schweißnasse Stirn.
    Hinter ihm erklang eine sanfte Stimme. »Ich grüße Euch, Hoher Alchemist. Ich bin der Lord von Mondbrut.«
    Immer noch dem Tisch zugewandt, schloss Baruk die Augen und nickte. »Der Titel ist nicht notwendig«, flüsterte er. »Bitte, nennt mich Baruk.«
    »Ich bin in der Dunkelheit zu Hause«, sagte der Lord. »Stellt dies für Euch eine Unannehmlichkeit dar, Baruk?«
    Der Alchemist murmelte einen Zauberspruch. Die Einzelheiten der Karte auf dem Tisch nahmen plötzlich Gestalt an, verströmten einen kalten blauen Schimmer. Er drehte sich zu dem Lord um und stellte überrascht fest, dass die große, mit einem Umhang bekleidete Gestalt genauso wenig Wärme abstrahlte wie die unbelebten Gegenstände, die sich im Zimmer befanden. Nichtsdestotrotz war er in der Lage, die Gesichtszüge des Mannes ziemlich klar zu erkennen. »Ihr seid ein Tiste Andii«, sagte er.
    Der Lord verneigte sich leicht. Seine schrägen, vielfarbigen Augen suchten den Raum ab. »Habt Ihr Wein, Baruk?«
    »Natürlich, Lord.« Der Alchemist ging zu seinem Schreibtisch hinüber.
    »Mein Name lautet - zumindest in der Form, die Menschen aussprechen können - Anomander Rake.« Der Lord folgte Baruk zum Tisch; seine Stiefel klackten auf dem polierten Marmorfußboden.
    Baruk schenkte Wein ein und drehte sich dann wieder um, um Rake mit einer gewissen Neugier zu mustern. Er hatte gehört, dass im Norden Tiste-Andii-Krieger unter dem Befehl eines Furcht erregenden Mannes namens Caladan Bruth gegen das Imperium kämpften. Sie hatten sich mit der Karmesin-Garde verbündet, und die beiden Streitkräfte fügten den Malazanern schwere Verluste zu. Anscheinend gab es auch in Mondbrut Tiste Andii, und der Mann, der hier vor ihm stand, war ihr Herr.
    Noch nie zuvor in seinem Leben hatte Baruk einen Tiste Andii von Angesicht zu Angesicht gesehen. Er war mehr als nur ein bisschen verstört. Was für bemerkenswerte Augen, dachte er. Einen Augenblick lang waren sie von einem tiefen Bernsteingelb, katzengleich und zermürbend, im nächsten waren sie plötzlich grau und mit einem Streifen versehen, wie bei einer Schlange - ein beängstigender Regenbogen von Farben, die zu jeder Stimmung passten. Er fragte sich, ob sie wohl lügen konnten.
    In der Bibliothek des Alchemisten lagen Exemplare der erhalten gebliebenen Bände von Gothos' Narretei, die tausende von Jahren alten Schriften eines Jaghut. In ihnen wurden hier und dort Tiste Andii erwähnt, wie sich Baruk erinnerte, und immer mit einem furchtsamen Unterton. Gothos selbst, ein Jaghut-Zauberer, der in die tiefsten Gewirre der Älteren Magie hinabgestiegen war, hatte die Götter seiner Zeit dafür gepriesen, dass es nur so wenige Tiste Andii gab.
    Seit damals war die geheimnisvolle, schwarzhäutige Rasse ganz sicher nicht zahlreicher geworden.
    Anomander Rakes Haut war pechschwarz, genau wie in Gothos' Beschreibungen, doch seine Mähne leuchtete silbern. Er war fast sieben Fuß groß. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten, als wären sie aus einem Onyxblock herausgemeißelt; die großen Augen mit den senkrechten Pupillen waren ein wenig schräg gestellt.
    Ein zweihändiges Schwert hing auf Rakes breitem Rücken; der silberne Knauf in Form eines Drachenschädels und die archaische Parierstange ragten aus einer hölzernen Scheide, die volle sechseinhalb Fuß lang war. Die Waffe verströmte eine Macht, die die

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