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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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ungefähr die gleiche Wirkung gehabt.
    Die Konfrontation mit Mandata Lorn hatte in der Zauberin Erinnerungen geweckt, die sie in jahrelangen Anstrengungen begraben hatte. Für Lorn war das, was damals geschehen war, ein Wendepunkt in ihrem Leben gewesen, für Flickenseel jedoch nur ein Albtraum unter vielen. Und doch hatte dieser ganz bestimmte Albtraum etwas in ihr bewirkt, was all die anderen Verbrechen nicht bewirkt hatten -mit dem Ergebnis, dass sie sich der Zweiten Armee auf besondere Weise verbunden fühlte, der gleichen Armee, in die sie als Rekrutin gesteckt worden war. So hatte sich ein Kreis geschlossen, doch in der Zwischenzeit hatte sie sich verändert.
    Die insgesamt gut zwanzig Jahre Dienst in der Zweiten Armee hatten ihr heute Abend das Leben gerettet. Sie wusste, dass Toc der Jüngere für sie gelogen hatte. Sie hatte es in dem Blick gelesen, den er ihr zugeworfen hatte, bevor er seine Einschätzung verkündet hatte und sie hatte die Botschaft verstanden. Obwohl er als Klaue, als Spion zur Zweiten gekommen war, konnten selbst die Jahre der Ausbildung in der Geheimorganisation ihn nicht gegen die neue Welt, in der er sich wieder gefunden hatte, immun machen.
    Flickenseel verstand das alles nur zu gut, denn ihr war genau das Gleiche geschehen. Die Zauberin, die zusammen mit einem Magier-Kader vor langer Zeit das Mausviertel betreten hatte, hatte nur an sich selbst gedacht. Sogar ihr Versuch, sich von dem Entsetzen abzuschotten, zu dem sie selbst einen erheblichen Teil beigetragen hatte, war aus Selbstsucht erfolgt; sie hatte fliehen, ihr Gewissen beruhigen wollen, doch das Imperium hatte ihr diesen Schritt verweigert. Am Tag nach dem Massaker im Mausviertel war ein Soldat zu ihr gekommen. Er war alt und namenlos, ein Veteran, der geschickt worden war, um die Zauberin davon zu überzeugen, dass sie immer noch gebraucht wurde. Sie erinnerte sich noch gut an seine Worte. »Sollte es Euch jemals gelingen, vor der Schuld davonzulaufen, die Ihr in Eurer Vergangenheit auf Euch geladen habt, werdet Ihr Eurer Seele ebenfalls davongelaufen sein. Und wenn sie Euch dann wieder findet, wird sie Euch töten.« Er hatte ihre verzweifelte Sehnsucht nicht gänzlich ignoriert, sondern sie stattdessen in eine Veteranen-Armee -die Fünfte - gesteckt, bis die Zeit für sie reif gewesen war, zur Zweiten unter dem Kommando von Dujek Einarm zurückzukehren. Und damit war ihr eine neue Chance gegeben worden.
    Flickenseel erreichte die Tür zu ihrem Quartier und verharrte kurz, um den Zustand ihrer Schutzzauber zu überprüfen. Alles war in Ordnung. Seufzend betrat sie den Raum und lehnte sich gegen die Tür, nachdem sie sie wieder geschlossen hatte.
    Hauptmann Paran kam aus dem Schlafzimmer; er wirkte argwöhnisch und irgendwie schüchtern. »Ihr seid nicht unter Arrest gestellt worden? Ich bin überrascht.«
    »Genau wie ich«, erwiderte sie.
    »Locke war hier«, sagte Paran. »Er hat mich beauftragt, Euch etwas mitzuteilen.«
    Flickenseel musterte das Gesicht ihres Gegenübers, suchte nach einem Hinweis auf das, was er gleich vorbringen würde. Er wich ihrem Blick aus und blieb unter dem Türrahmen zu seinem Zimmer stehen. »Und?«, wollte sie wissen.
    Paran räusperte sich. »Zuerst war er... äh ... furchtbar aufgeregt. Er wusste von der Ankunft der Mandata, und er hat gesagt, sie wäre nicht allein gekommen.«
    »Nicht allein? Hat er das irgendwie erklärt?«
    Paran zuckte die Schultern. »Er hat gesagt, dass der Staub mit der Mandata wandern, der Dreck sich unter ihren Stiefeln bewegen und der Wind von Frost und Feuer flüstern würde.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Erklärt das irgendetwas? Ich verstehe kein einziges verdammtes Wort davon.«
    Flickenseel trat zur Anrichte. Sie begann den spärlichen Schmuck abzulegen, den sie zum Abendessen getragen hatte. »Ich glaube schon«, sagte sie langsam. »Hat er noch irgendwas gesagt?«
    »Ja - dass die Mandata und ihr Begleiter Fahl bald verlassen würden und dass er vorhat, ihnen zu folgen. Zauberin ...«
    Sie sah, dass Paran mit sich rang; es schien, als würde er gegen seine Instinkte ankämpfen. Flickenseel stützte einen Arm auf die Anrichte und wartete. Als sich ihre Blicke begegneten, hielt sie überrascht die Luft an. »Ihr wolltet etwas sagen«, sagte sie dann mit leiser Stimme. Ihr Herz schlug viel zu schnell, und ihr Körper fühlte sich an, als würde er unabhängig von ihrem Willen reagieren. Der Ausdruck in seinen Augen war eindeutig gewesen.
    »Ich weiß ein

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