Die Gärten des Mondes
- die Erinnerung an eine kleine Begebenheit, die sich im Zusammenhang mit der Fünften während der Belagerung von Fahl, doch weit entfernt auf dem Feldzug gegen Mott, zugetragen hatte. Dort war Leida zu ihnen gestoßen, war ganz frisch von den Schiffen mit den neuen Truppen gekommen, die immer in Nathilog anlegten. Er hatte zugesehen, wie sie drei Söldner mit dem Messer bearbeitet hatte, die in Grauhund gefangen genommen worden waren. Vorgeblich, um Informationen von ihnen zu bekommen, doch es hatte nicht so ausgesehen, wie er sich mit Schaudern erinnerte. Es hatte nichts mit Zweckdienlichkeit zu tun gehabt. Fassungslos und entsetzt hatte er zugesehen, wie Leida begonnen hatte, sich die Lenden der Gefangenen vorzunehmen. Er erinnerte sich an den Blick, den er mit Kalam gewechselt hatte, und an seine verzweifelte Geste, die den dunkelhäutigen Mann hatte mit blanken Messern losstürzen lassen. Kalam hatte Leida zur Seite gestoßen und den drei Söldnern blitzschnell die Kehle durchgeschnitten. Und dann war jener Augenblick gekommen, der immer noch an Elster nagte. Schaumiges Blut spuckend, hatten die Söldner Kalam mit ihren letzten Worten gepriesen.
Leida hatte lediglich ihr Messer eingesteckt und war gegangen.
Obwohl die junge Frau jetzt schon zwei Jahre bei ihnen war, nannten seine Männer sie immer noch die Rekrutin, wahrscheinlich würden sie es bis zu dem Tag tun, an dem sie starben. Das hatte eine Bedeutung, die Elster nur zu gut verstand. Rekruten waren keine Brückenverbrenner. Diese Auszeichnung musste man sich verdienen, sie war eine Anerkennung, die auf Taten beruhte. Leida war eine Rekrutin, weil der Gedanke, sie könnte unauflöslich mit den Brückenverbrennern verwoben sein, wie ein heißes Messer in den Kehlen der Männer seines Trupps brannte. Und selbst der Sergeant war nicht immun gegen solche Gefühle.
Während all dies blitzartig an Elster vorüberzog, ließ ihn sein sonst so ungerührtes Gesicht im Stich. Innerlich antwortete er: Jung? Nein. Den Jungen kannst du vergeben, du kannst ihre einfachen Bedürfnisse stillen, und du kannst ihnen in die Augen sehen und wirst genug darin finden, was du wieder erkennen kannst. Aber bei ihr? Nein. Es war am besten, diesen Augen auszuweichen, in denen nichts Junges war - ganz und gar nichts Junges.
»Dann setzt euch mal in Bewegung«, brummte Dujek. »Alle Mann aufsteigen.« Dujek drehte sich um. Er hatte Elster zum Abschied noch ein paar Worte sagen wollen, doch als er den Gesichtsausdruck des Sergeanten sah, blieben sie ihm im Hals stecken.
Zwei rasch aufeinander folgende, gedämpfte Donnerschläge hallten durch die Stadt, als im Osten rot der Tag erwachte. Die letzten Tränen der Nacht rannen die Gesimse hinab und wirbelten die Rinnsteine entlang. In den Schlaglöchern der Straßen standen schlammige Pfützen, in denen sich die auseinander treibenden Wolken in trübem Glanz spiegelten. Noch hingen Kühle und nächtlicher Nebel in den dunklen Ecken der engen, verwinkelten Gassen des Krael-Viertels. Die schimmelüberzogenen Backsteine und die abgetretenen Pflastersteine hatten den zweiten Donnerschlag verschluckt, so dass sein Echo die Melodie der wirbelnden Wassertropfen nicht übertönen konnte.
Ein Hund von der Größe eines Maultiers rannte eine Gasse entlang, die sich in Richtung Süden an der äußeren Mauer entlangzog. Sein gewaltiger Kopf hing tief vor seinen breiten, muskulösen Schultern. Dieser Hund hatte keine regnerische Nacht erlebt, das zeigte sein trockenes, staubiges, grauschwarz geflecktes Fell. Die Schnauze des Tieres war grau gesprenkelt, und seine Augen glühten bernsteinfarben.
Der Hund war der Siebente von Schattenthrons Dienern; er trug den Namen Giar - und er war auf der Jagd. Das Wild war listig, flink und schwer zu fassen, doch Giar spürte, dass er seiner Beute nah war.
Er wusste, dass das Wesen, welches er verfolgte, kein Mensch sein konnte; kein sterblicher Mann, keine sterbliche Frau hätte seinen Kiefern so lange entgehen können. Und, was noch viel erstaunlicher war, Giar hatte noch nicht einmal einen flüchtigen Blick auf seine Beute werfen können. Doch sie hatte ungestraft das Schattenreich betreten, hatte Schattenthron selbst verfolgt und auf allen Netzen herumgeklimpert, die Giars Herr gespannt hatte. Ein solcher Affront konnte nur auf eine einzige Weise beantwortet werden: mit dem Tod.
Der Schattenhund wusste, dass schon bald er der Gejagte sein würde, und wenn die Jäger zahlreich und stark genug waren,
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