Die galante Entführung
– sind Sie wirklich Mr. Calverleigh?«
»Nun, man hat mir nie einen Grund zu der Annahme gegeben, daß ich es nicht sei!« antwortete er.
»Sie sind es also doch? Aber sicher – « Sie besann sich, brach ab und sagte mit aller ihr zur Verfügung stehenden Würde: »Ich muß Ihnen sagen, Sir, daß ich Miss Wendover bin!«
Sie bemerkte mit Genugtuung, daß diese Enthüllung eine starke Wirkung auf ihn ausübte. Das gewisse beunruhigende Lächeln verschwand, und seine schwarzen Augenbrauen zogen sich plötzlich zusammen. Er stieß hervor: »Miss – wer?!«
»Miss Wendover«, wiederholte sie und fügte zu weiterer Aufklärung hinzu: »Miss Abigail Wendover!«
»Guter Gott!« Einen Augenblick schien er erschrocken zu sein, dann aber, als seine seltsam hellen Augen sie prüfend betrachteten, brachte er sie aus der Fassung, indem er sagte: »Der gefällt mir! Und außerdem paßt er gut zu Ihnen.«
Empört vergaß Abby das Hauptthema und ließ sich zu der Erwiderung hinreißen: »Danke! Ich bin Ihnen äußerst verbunden! Es ist ein altmodischer Name, der gewöhnlich dazu benützt wird, eine Kammerzofe zu bezeichnen. Ihnen mag er ja gefallen, mir aber nicht!« Sie fügte hastig hinzu: »Übrigens habe ich mich Ihnen nicht bekannt gemacht, um mich mit Ihnen über meinen Namen zu unterhalten!«
»Natürlich nicht«, sagte er so besänftigend, daß sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Sagen Sie mir doch, was Sie wirklich mit mir besprechen wollen. Ich werde Ihnen nach besten Kräften zu Diensten sein, obwohl ich eigentlich nicht verstehe, warum Sie überhaupt etwas mit mir zu erörtern wünschen. Verzeihen Sie – ich bin gesellschaftlich nicht gewandt – , aber habe ich Sie schon einmal irgendwo kennengelernt?«
»Nein«, antwortete Abby, die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln gekräuselt. »Das haben Sie nicht – Sir –, wie Sie sehr gut wissen! Aber Sie werden wohl kaum leugnen, daß Sie mit einer anderen Angehörigen meiner Familie bekannt sind.«
»O nein, das will ich nicht leugnen!« versicherte er ihr.
»Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Ich, Sir«, sagte Abby und überging diese Aufforderung, »bin Fannys Tante!«
»Nein, wirklich? Sie sehen nicht alt genug aus, um schon irgend jemandes Tante zu sein«, bemerkte er.
Diese Kühnheit wurde höchst sachlich geäußert, als sei sie keine Unverschämtheit, sondern etwas Selbstverständliches. Er schien keine Ahnung zu haben, daß er etwas Ungehöriges gesagt hatte, noch konnte sie nach seinem gleichgültigen Ausdruck annehmen, daß er ein Kompliment beabsichtigt hatte. Sie kam zu der Annahme, daß er ein sehr seltsamer Mann sei und es schwieriger werden würde, mit ihm fertigzuwerden, als sie es sich vorgestellt hatte. Offenkundig trieb er Spiegelfechterei mit ihr, und je früher man ihn erkennen ließ, daß eine solche Taktik keinen Zweck hatte, um so besser. Daher sagte sie kalt: »Sie müssen sehr wohl wissen, daß ich Fannys Tante bin.«
»Ja, Sie haben es mir ja soeben gesagt«, stimmte er ihr zu.
»Sie wußten es, sowie ich mich Ihnen bekannt gemacht habe.« Sie bezähmte sich, entschlossen, ihr Temperament nicht mit sich durchgehen zu lassen, und sagte so liebenswürdig sie konnte: »Bitte, Mr. Calverleigh, seien wir doch offen zueinander. Ich glaube, Sie wissen auch, warum ich mich Ihnen vorgestellt habe. Es ist Ihnen zwar gelungen, sich bei meiner Schwester einzuschmeicheln, aber Sie können doch kaum angenommen haben, daß Sie sämtliche Verwandte Fannys so nachgiebig finden würden!«
Er beobachtete sie sehr eindringlich, jedoch mit einem Ausdruck erfreuten Vergnügens, der sie wütend machte, und sagte: »Nein, das konnte ich doch wirklich nicht. Dennoch, wenn mich Ihre Schwester mag – «
Sie fuhr ihn an: »Meine Schwester, Mr. Calverleigh, wußte nicht, daß Sie keineswegs, wie sie angenommen hatte, ein Mann von Charakter sind, bis ich sie aufklärte, daß Sie einen – einen anstößigen Ruf haben!«
»Wie unschön von Ihnen, so etwas zu tun!« sagte er vorwurfsvoll. »Mag sie mich jetzt nicht mehr?«
Abby machte die Entdeckung, daß es möglich ist, gleichzeitig wütend zornig zu sein und dabei nur mit größter Mühe den fast unwiderstehlichen Wunsch zu unterdrücken, in Lachen auszubrechen. Nach schwerem Kampf gelang es ihr, hervorzubringen: »Das – das hier ist nutzlos, Sir! Lassen Sie sich versichern, daß für Sie keinerlei Hoffnung besteht, von Fannys Vormund die Zustimmung zu Ihrem Heiratsantrag zu erringen; und
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