Die galante Entführung
lassen Sie mich Ihnen ferner sagen, daß Fanny erst mit fünfundzwanzig in den Besitz ihrer Erbschaft kommt. Dessen waren Sie sich vermutlich nicht bewußt.«
»Nein«, gab er zu, »das wußte ich nicht.«
»Bis zu jenem Zeitpunkt«, fuhr Abby fort, »steht Fannys Vermögen ausschließlich unter der Kontrolle ihres Vormundes. Er wird, wie ich Ihnen sagen muß, diese Kontrolle unter keinen Umständen auch nur einen Augenblick früher als an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag in die Hände ihres Gatten abgeben, falls sie ohne seine Zustimmung und Billigung heiratet. Ich halte es sogar für zweifelhaft, daß er ihr weiterhin einen Teil des Einkommens zukommen läßt, das aus ihrem Vermögen erfließt. Kein sehr guter Handel, Sir, meinen Sie nicht auch?«
»Anscheinend ein sehr schlechter. Wer übrigens ist eigentlich Fannys Vormund?«
»Ihr Onkel, natürlich! Das muß sie Ihnen doch bestimmt gesagt haben?« antwortete Abby ungeduldig.
»Nein!« sagte er noch entschuldigender. »Sie hatte wirklich keine Gelegenheit, es zu tun.«
»Hatte keine – Mr. Calverleigh, soll ich Ihnen glauben, daß Sie – Sie diesen Versuch unternahmen, Ihrem eigenen Vermögen aufzuhelfen, ohne zuerst herauszufinden, wie die genauen Bedingungen des Testaments von Fannys Vater lauten? Das ist denn doch zu stark aufgetragen!«
»Wer war denn eigentlich ihr Vater?« unterbrach er sie und betrachtete sie unter plötzlich gerunzelten Brauen.
»Sie sprechen von ihrer Erbschaft – Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß sie Rowland Wendovers Tochter ist?«
»Ja – falls es für mich nötig sein sollte, es zu tun – was ich stark bezweifle!« sagte Abby und beäugte ihn feindselig. »Sie ist eine Waise, und das Mündel meines Bruders James.«
»Armes Mädchen!« Er musterte Abby wohlgefällig. »Sie sind also eine Schwester Rowland Wendovers! Wissen Sie, das finde ich wenig glaubhaft.«
»Aber nein! Dennoch ist es wahr – obwohl ich nicht weiß, was es mit dem in Frage stehenden Thema zu tun hat – «
»Oh, tut es gar nicht«, sagte er und lächelte sie entwaffnend an. »Wenn ich es jetzt überlege, so hatte er mehrere Schwestern, nicht? Ich vermute, Sie müssen die Jüngste von ihnen sein. Er war älter als ich, und Sie sind noch ein reines Kind. Übrigens, wann starb er denn?«
Diese Fragen, die ihr in einem Ton sachlichen Interesses gestellt wurden, erschienen ihr derart unangebracht, daß sie den Verdacht hegte, er müsse betrunken sein. Es war zwar kein erkennbares Zeichen der Trunkenheit an ihm festzustellen, aber sie wußte, daß ihre diesbezügliche Erfahrung beschränkt war. Falls er jedoch nicht betrunken war, dann mußte die einzige andere Erklärung für sein völlig phantastisches Benehmen die sein, daß er leicht verrückt war. Falls er nicht auf irgendeine undurchsichtige Art versuchte, sie in Nachteil zu setzen? Sie konnte unmöglich verstehen, was er durch seine ungewöhnliche Taktik zu gewinnen hoffte, aber der Ausdruck des Vergnügens in seinem Gesicht gab ihr das unbehagliche Gefühl, daß er irgend etwas bezweckte. Wahrscheinlich etwas Skrupelloses.
Sie beobachtete ihn genau und sagte: »Mein Bruder starb vor zwölf Jahren. Ich bin wirklich seine jüngste Schwester, aber Sie irren sich, wenn Sie mich für ein reines Kind halten. Vermutlich möchten Sie gern, daß ich es wäre?«
»Nein. Warum sollte ich das?« fragte er leicht überrascht.
»Weil es Ihnen dann vielleicht leichterfiele, mich anzuschwindeln.«
»Aber ich will Sie gar nicht anschwindeln!«
»Um so besser«, erwiderte sie. »Es würde Ihnen auch gar nicht gelingen. Ich bin schon über achtundzwanzig, Mr. Calverleigh!«
»Nun, für mich ist das noch ein Kind. Wieviel darüber?«
Jetzt war sie zwar äußerst zornig geworden, aber zum zweitenmal mußte sie ein unwillkürliches Kichern verschlucken. Sie sagte mit schwankender Stimme: »Mit Ihnen zu reden ist, als – als spräche man mit einem Aal.«
»Nein, wirklich? Ich habe noch nie versucht, mit einem Aal zu reden. Ist das nicht pure Zeitverschwendung?«
Sie erstickte fast an unterdrücktem Lachen. »Keine solche, wie mit Ihnen zu reden!«
»Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie Aale unterhaltsamer finden als mich?« fragte er ungläubig.
Das war denn doch zuviel für sie – sie lachte wirklich los und war zugleich wütend über sich, daß sie es tat.
»So ist’s schon besser!« sagte er beifällig.
Sie faßte sich. »Lassen Sie mich eines fragen, Sir! Wenn schon ich Ihnen
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