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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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ein so naher Verwandter, und soviel ich höre, der einzige Angehörige Ihrer engeren Familie, der noch lebt -?«
    »Na und? Wissen Sie, das Gewäsch über Familie und Nahverwandte ist Schwindel. Ich habe diesen meinen Neffen nicht mehr gesehen, seit er ein schmieriger Fratz war – falls ich ihn damals überhaupt gesehen habe. Das ist wahrscheinlich gar nicht der Fall, denn ich bin, wann immer ich es vermeiden konnte, meinem Bruder nicht in die Nähe gekommen – also warum, zum Teufel, sollte ich jetzt meinen Neffen sehen wollen?«
    Darauf wußte sie nichts zu sagen. Seine Äußerung erschien ihr jedoch derart brutal, daß sie sich fragte, ob seine Einstellung vielleicht aus Haßgefühlen stammte. Sie erinnerte sich, daß er, in Ungnade gefallen, nach Indien verfrachtet worden war. Seine nächsten Worte jedoch, die nachdenklich und völlig leidenschaftslos gesprochen wurden, trugen nichts dazu bei, ihre Vermutung zu bestärken. Er sagte nämlich: »Wissen Sie, über Familienliebe wird sehr viel Sinnloses geschwätzt. Wieviel Liebe bringen denn Sie Ihrer Familie entgegen?«
    Eine solche Frage war ihr noch nie gestellt worden, und da es einer der Glaubensgrundsätze war, man liebe und achte seine Eltern und liebe (zumindest) die Geschwister, hatte sie sich das Problem noch nie überlegt. Aber gerade als sie diesem empörenden Menschen versichern wollte, sie sei jedem ihrer Familienangehörigen zutiefst verbunden, erstand vor ihrem geistigen Auge das durchaus nicht zärtliche Bild ihres Vaters, ihrer zwei Brüder und sogar ihrer Schwester Jane. Etwas kläglich sagte sie: »Meiner Mutter und zweien meiner Schwestern sehr viel.«
    »Ah, Schwestern hatte ich nie, und meine Mutter starb, als ich noch ein Schuljunge war.«
    »Da sind Sie sehr zu bedauern«, sagte sie.
    »Oh, ich glaube nicht«, antwortete er. »Ich mag keine Verpflichtungen.« Wieder schlich sich das entwaffnende Lächeln in seine Augen, während sie auf Abbys Gesicht ruhten. »Meine Familie sagte sich nämlich vor mehr als zwanzig Jahren von mir los.«
    »Ja, das weiß ich. Das heißt – man hat es mir erzählt«, sagte sie. Mit der Spur eines scheuen Lächelns fügte sie hinzu: »Ich bin der Meinung, es war gräßlich, daß man das getan hat, und – und es ist vielleicht der Grand, warum Sie Ihren Neffen nicht kennenlernen wollen?«
    Darüber mußte er lachen. »Guter Gott, nein! Was geht denn das ihn an?«
    »Ich habe nur gedacht – geglaubt –, da es sein Vater war – «
    »Nein, nein, das ist Unsinn!« protestierte er. »Sie dürfen mich nicht zum Gegenstand des Mitleids machen. Ich mochte meinen Bruder Humphrey nicht, und ich mochte auch meinen Vater nicht, aber ich trage es ihnen nicht nach, daß sie mich nach Indien verfrachtet haben. Ja, es war das Beste, das sie tun konnten, und es paßte mir sehr gut.«
    »Mitleid scheint sicherlich an Ihnen verschwendet zu sein, Sir!« sagte sie schroff.
    »Ja, natürlich. Außerdem gefallen Sie mir, und damit wäre es aus, sowie Sie mich bemitleideten.«
    Sie wurde zu einer schnellen Erwiderung angestachelt: »Nun, das würde mir keinen großen Kummer bereiten.«
    »Bravo!« sagte er anerkennend. »Erzählen Sie mir mehr über Ihre Nichte! Verstehe ich recht, daß auch ihre Mutter gestorben ist?«
    »Ihre Mutter starb, als Fanny zwei Jahre alt war, Sir.«
    Sein Gesicht trug einen undurchsichtigen Ausdruck, und obwohl er seine Augen auf die ihren gerichtet hielt, hatte sie das Gefühl, als sähe er etwas, das weit hinter ihr lag. Mit einem plötzlichen, verzerrten Lächeln schien er sie wieder in seinen Blickpunkt zu rücken und fragte unvermittelt: »Rowland hat sie doch geheiratet, nicht? – Celia Morval?«
    »Ja, natürlich! Haben Sie sie gekannt?«
    Darauf erwiderte er nichts, sondern sagte nur: »Und mein Neffe läuft hinter Celias Tochter her?«
    »Ich fürchte, es ist ernster als das. Wie gesagt, ich habe ihn noch nicht kennengelernt, aber der junge Mann scheint ein beachtlicher Courschneider zu sein. Es ist ihm gelungen, sein – sein Interesse an Fanny zu heften – nun, rundheraus gesagt, Sir, sie bildet sich ein, heftig in ihn verliebt zu sein. Sie halten das vielleicht für keine große Affäre bei ihrer Jugend, aber es ist leider so, daß sie ein Feuergeist ist und sehr – sehr resolut. Sie ist praktisch seit ihrer Kindheit in meiner Obhut – und der meiner ältesten Schwester. Vielleicht haben wir ihr zuviel nachgegeben – ihr zuviel Freiheit gelassen. Ich war nie der Meinung – wissen

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