Die galante Entführung
Sie, ich selbst wurde – wie ja wir alle – in einer derartigen Unterwürfigkeit erzogen, daß ich geschworen habe, ich würde nicht zulassen, daß Fanny genauso unterdrückt wird wie wir. Ich habe sogar gedacht – weil ich wußte, wie sehr ich mich danach sehnte, den Mut zur Rebellion zu haben, und wie bitter ich die Tyrannei meines Vaters haßte –, ich habe gedacht, wenn ich sie ermutige, freiheitsliebend zu sein und mich eher als Freundin, denn als Tante zu betrachten, dann würde sie nicht aufsässig werden, und würde es sich gefallen lassen, daß ich sie lenke.«
»Und tut sie das nicht?« fragte er mitfühlend.
»Nicht in diesem Fall. Bis zu dem Zeitpunkt, da Ihr Neffe sie behexte, schon. Sie ist ein reizendes Mädchen, aber ich gebe zu, daß sie starrköpfig und etwas zu ungestüm sein kann.« Sie schwieg und sagte dann kläglich: »Sobald sie einmal einen Entschluß gefaßt hat, ist es sehr schwer, sie davon abzubringen. Sie – sie ist eben nicht lauwarm! Es ist eine der Eigenschaften, die mir an ihr besonders gefallen, aber in diesem Fall ist es eine Katastrophe!«
»Sie ist also verliebt, ja? Bestimmt wird sie wieder vernünftig werden«, sagte er mit einer Spur Langeweile in der Stimme.
»Zweifellos! Ich habe nur Angst, daß es dann zu spät sein wird. Mr. Calverleigh, selbst wenn Ihr Neffe die passendste Partie im Land wäre, wäre ich gegen die Verbindung! Fanny ist viel zu jung, um schon ans Heiraten zu denken. Wie die Dinge jedoch liegen, brauche ich mir vermutlich keine Gewissensbisse zu machen, wenn ich Ihnen sage, daß er alles andere denn eine passende Partie ist! Er hat einen ganz gräßlichen Ruf, und abgesehen von allem anderen, halte ich ihn für einen, Mitgiftjäger.«
»Das ist er höchstwahrscheinlich«, sagte er nickend.
Auf diese kühle Erwiderung hin mußte sie ihr Temperament ganz fest am Zügel halten. Sie sagte trocken: »Sie mögen das ja nachsichtig betrachten, Sir, ich aber nicht!«
»Nein, ich glaube nicht, daß Sie es tun«, stimmte er ihr liebenswürdig zu.
Sie errötete. »Und – was noch wichtiger ist – genausowenig mein Bruder!«
Das schien sein Interesse neuerlich zu wecken. Seine Augen glitzerten. »Wie – er weiß von der Sache?«
»Ja, und ich versichere Ihnen, er ist einer solchen Verbindung zutiefst abgeneigt. Er war es ja, der mir erzählte, was sich während meiner Abwesenheit hier in Bath abspielte, da er es durch eine Dame erfuhr, die zufällig eine enge Freundin seiner Frau ist. Er fuhr von Bedfordshire mit der Post nach London, um mich davon zu unterrichten. Bitte, glauben Sie nicht, daß ich übertreibe, wenn ich sage, daß ich ihn selten so tief entsetzt erlebte und – so heftige Ausdrücke von ihm gehört habe. Glauben Sie mir, Sir, nichts könnte ihn dazu bewegen, einen Heiratsantrag Ihres Neffen für Fanny anzunehmen.«
»Das glaube ich blindlings!« antwortete er mit einem Schimmer unheiligen Vergnügens in den Augen. »Und mehr noch – ich hätte ein Königreich dafür gegeben, ihn zu sehen! Himmel, wie komisch!«
»Komisch war es nicht im geringsten! Und – «
»Doch, es ist komisch, aber lassen wir das. Warum sollten Sie sich aufregen? Wenn der tugendhafte James das Aufgebot verbietet, und wenn mein Neffe ein Mitgiftjäger ist, dann können Sie sicher sein, daß er seine Werbung einstellt!« Er las Zweifel in ihrem Gesicht und sagte: »Glauben Sie nicht?«
Sie zögerte. »Ich weiß nicht. Es kann sein, daß er hofft, James umzustimmen – «
»Das wird ihm nicht gelingen!«
»Nein, falls er nicht… Mr. Calverleigh, ich habe Grund – einigen Grund –, zu fürchten, daß er Fanny zum Durchbrennen überreden könnte. Wenn ich daran denke, daß mein Bruder, sowie einmal die Sache perfekt ist, gezwungen wäre – « Sie unterbrach sich, da er in lautes Gelächter ausgebrochen war, und sagte empört: »Ihnen mag es ja komisch vorkommen, aber ich versichere Ihnen – «
»Es kommt mir wirklich komisch vor! Was für ein Thema für eine Farce! Die Geschichte wiederholt sich – höchst hartnäckig!«
Völlig verblüfft fragte sie: »Was meinen Sie damit? Was können Sie wohl damit meinen?«
»Meine hübsche Unschuld«, sagte er mit einer gütigen, etwas mit Spott gewürzten Stimme, »hat Ihnen denn nie jemand erzählt, daß ich der Mann war, der mit der Mutter Ihrer Fanny durchbrannte?«
4
Es dauerte eine volle Minute, bis Abby den Wirrwarr ihrer Gedanken genügend ordnen konnte, um etwas sagen zu können. Und als sie es sagte,
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