Die galante Entführung
sie vergessen haben?« fragte Abby völlig verblüfft.
»Nun, es hat sich ja alles vor mehr als zwanzig Jahren abgespielt«, sagte er entschuldigend.
»Und zweifellos hat Ihr Gedächtnis Celia mit irgendeiner anderen Dame verwechselt!«
»Ja, das ist sehr leicht möglich«, bekannte er.
Während Miss Abigail Wendover mit ihren Gefühlen kämpfte, entschied sie, daß eine der schlimmsten Eigenschaften von Mr. Miles Calverleighs Charakter seine verhaßte Fähigkeit war, sie genau im falschen Augenblick zum Lachen zu bringen. Da sie eine Frau von starker Entschlußkraft war, beherrschte sie sich und sagte: »Aber Sie erinnern sich wenigstens daran, daß Sie sie einst geliebt haben. Sie können doch nicht wünschen, daß ihre Tochter zum – zum Opfer eines Mitgiftjägers würde –, selbst wenn er Ihr Neffe ist!«
»Nein. Nicht, daß ich mir die Sache überlegt hätte, aber ich wünsche keiner Frau, das Opfer eines Mitgiftjägers zu werden. Oder, wenn ich es recht bedenke, irgendeines anderen räuberischen Menschen. Aber ich bin der Meinung, daß Sie meinem närrischen Neffen vielleicht Unrecht tun; er kann sich durchaus Hals über Kopf in Fanny verliebt haben. Denn sie ist zweifellos ein Stückchen Vollkommenheit!«
Sie sah rasch auf, entflammt von diesem Lob ihres Lieblings. »Sie ist doch sehr hübsch, nicht?«
»Oh, unbezahlbar! Was in mir den Verdacht erregt, daß der arme Kerl sie wirklich liebt!«
Sie dachte ein, zwei Augenblicke stirnrunzelnd darüber nach, bis sie entschieden sagte: »Es ist gleichgültig, ob dem so ist – er ist einfach nicht der Richtige für sie. Außerdem ist sie viel zu jung: Das müssen Sie doch zugeben!«
»Nein. Ihre Mutter war etwa siebzehn, als sie Rowland heiratete.«
»Was gerade beweist, daß sie zu jung ist!«
Er grinste anerkennend, sagte jedoch: »Sie mögen recht haben, können aber nicht erwarten, daß ich Ihnen zustimme. Schließlich versuchte ich doch selbst, Celia zu heiraten!«
»Ja, aber Sie waren damals erst ein Junge. Heute müssen Sie doch klüger sein!«
»Viel klüger! Zu klug, um mich in etwas einzumischen, das mich nichts angeht!«
»Mr. Calverleigh, es sollte Sie aber angehen!«
»Miss Wendover, nein, das tut es nicht!«
»Wenn Sie kein Interesse an Ihrem Neffen haben, warum wollen Sie dann weiter in Bath bleiben? Warum hoffen Sie, daß er hierher zurückkehrt?«
»Ich habe nicht gesagt, daß ich kein Interesse an ihm habe. Ich gebe zu, ich glaubte, ich hätte keines. Aber das war, bevor ich wußte, daß er Ihrer Nichte den Hof macht. Sie können nicht leugnen, daß das eine sehr interessante Situation schafft.«
»Und eine äußerst vergnügliche außerdem!«
»Ja, genau das denke ich.«
Sie sagte verzweifelt: »Ich sehe, ich könnte mich genausogut an einen Torpfosten wenden!«
»Mit was für höchst seltsamen Dingen Sie sich doch zu unterhalten pflegen!« bemerkte er. »Finden Sie Torpfosten weniger verständnisvoll als Aale?«
Sie mußte wider Willen lächeln, sagte jedoch sehr ernst: »Versprechen Sie mir wenigstens eines, Sir! Selbst wenn Sie sich in diese elende Affäre nicht einmischen wollen: versprechen Sie mir, daß Sie sie wenigstens nicht fördern werden!«
»Oh, bereitwilligst! Ich bin nichts als ein Zuschauer.« Damit mußte sie sich zufriedengeben, sagte aber in etwas drohendem Ton: »Ich vertraue Ihrem Wort, Sir.«
»Das dürfen Sie beruhigt. Ich werde nicht in Versuchung kommen, es zu brechen«, antwortete er heiter.
Da sie bei dieser Bemerkung das Gefühl hatte, daß er vollkommen unbekehrbar sei, ging sie schweigend weiter und versuchte zu ergründen, warum sie es überhaupt zuließ, mit ihm zu sprechen, und noch weniger, sich seine Begleitung gefallen zu lassen. Es bot sich ihr keine befriedigende Antwort, denn obwohl er für Abfuhren unempfänglich zu sein schien, wußte sie, daß sie seine Annäherungsversuche hätte zurückweisen können, wenn sie sich wirklich darum bemüht hätte. Nach einem lauen Versuch, sich selbst zu überzeugen, daß sie sich seine Begleitung und sein Gespräch zu dem einzigen Zweck gefallen ließ, seine Unterstützung in dem Kreuzzug gegen seinen Neffen zu gewinnen, entdeckte sie, daß sie schändlicherweise gezwungen war zuzugeben, daß sie beides genoß und – viel schlimmer noch – sehr unter Enttäuschung gelitten hätte, wenn er die Absicht verkündet hätte, Bath in unmittelbarer Zukunft zu verlassen. Sie konnte nur annehmen, der Grund dafür sie der Umstand, daß er den übrigen
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