Die galanten Memoiren der Madame Dumoncey
niemals zuvor.
Um drei Uhr nachmittags sah ich, wie zwei Kutschen an meiner Tür hielten. Dies überraschte mich ein wenig. Die große Welt nämlich war mir damals noch sehr fremd! Meine Überraschung wurde noch vergrößert, als ich vier Herren aussteigen sah. Ich befürchtete ein Unglück, weil die Schwester Prudence manchmal von dem Hospital Salpêtrière und den gewaltsamen Verschleppungen durch die Pariser Polizei gesprochen hatte. Ich war eben noch nicht abgebrüht. Meine Befürchtungen wurden aber völlig zerstreut, als ich die vier Herren mit drei Damen in meine Wohnung eintreten sah. Mein Liebhaber kam als erster herein und bemerkte mein Erstaunen.
»Seid Ihr ärgerlich«, sagte er zu mir, wobei er jedes Wort betonte, »daß ich eine so nette Gesellschaft zu Euch führe?«
Alle traten sogleich nach ihm ein. Man kann sich all die Komplimente vorstellen, die bei der Begrüßung ausgetauscht wurden. Ich will nur soviel sagen, daß sie sehr lange dauerte. Am Ende setzten wir uns zu einem Pharaospiel hin. Von diesem Spiel verstehe ich nicht mehr als jeder andere. Damals fand mein erster Unterricht statt. Die drei Damen spielten mit meinem Liebhaber Lotto. Das war sozusagen die erste Sitzung einer Akademie, die bis heute fortdauert. Wenn ich nicht spiele, verbringe ich die Zeit im Theater. Gibt es ein schöneres Leben? Ich hatte alle Freuden der Welt. Ohne Zweifel war ich glücklich. Fehlte mir etwas, dann merkte es mein Liebhaber sogleich. Er gab mir dann sofort, was ich brauchte. Gab es jemals einen liebenswürdigeren und rücksichtsvolleren Geliebten?
Aus triftigen Gründen hält man die Financiers für unverbesserlich mürrische Kerle. Was mich aber anbelangt, fand ich während der ganzen Zeit bei ihm nur Höflichkeit und Anmut. Wahrlich, das war auch das einzige, was er besaß, das ich an ihm liebte. Ohne Zweifel beeindruckte er mich damit sehr, wenn eine Dirne überhaupt so etwas wie ein aufrichtiges und ehrliches Gefühl haben kann. Sicherlich wäre ich ihm auch treu gewesen – ich fühle es –, wenn ich nur immer ihn gesehen hätte.
Aber er brachte öfters Männer mit, die ein schöneres Aussehen hatten als er.
Hielt er mich für blind? War es ihm entgangen, daß keine meiner teuren Hurenschwestern schönen Männern, die zum Entzükken geschaffen sind, widerstehen kann?
Ich bestätige diese Regel beim Anblick eines jungen Herrn, der einst bei mir daheim war. Kaum hatte ich ihn gesehen, da sehnte ich mich schon danach, mit ihm zusammenzusein. Er war bildhübsch, groß, gut gewachsen, hatte schwarze Augen, die sich in einer geraden Linie befanden, zwei Augenbrauen darüber von der gleichen schönen Farbe, volle Backen, volle Lippen und gerade Beine.
Weshalb sollte man einen Mann mit dieser Figur nicht lieben? Gern hätte ich auch seinen Verstand gelobt, aber leider besaß er keinen. War er deshalb weniger begehrenswert? Gut! Eine richtige Dirne liebt mehr die Freude, das Vergnügen und die Wollust, die man sehr gut ohne Verstand befriedigen kann. Ja, oft viel besser und schöner bei Männern, die keine Geisteshelden sind, als in einer Gesellschaft, wo lehrreiche und anmutige Konversation getrieben wird.
Dieser Mann, von dem ich eben sprach, fand sich alle Tage bei mir ein, aber er hatte eine Kälte an sich, die mich schaudern ließ. Gern hätte ich gewünscht, daß er mich vor den anderen Frauen hervorhob. Bei einer günstigen Gelegenheit wollte ich ihn geil machen. Aber nichts erregte ihn. Ich konnte meine Liebe nicht mehr verbergen, die ich für ihn empfand.
Alle Welt bemerkte sie. Er aber schien als einziger die Augen verschlossen zu haben. Ich gebe zu, diese Gleichgültigkeit brachte mich außer mir. Denn ich konnte nicht begreifen, weshalb der Graf, da er ja mit zwei Füßen auf dem Boden stand, sich zurückhielt, meine Liebe zu erwidern. Zuletzt glaubte ich, daß ich für ihn überhaupt nicht begehrenswert sei. Meine Selbstachtung war verletzt. Ich rechnete es mir zum Ruhme an, bei dem Grafen die Waffen zu strecken. Alle Frauen, und ganz besonders die meines sehr wichtigen Gewerbes, handeln so. Je mehr man ihnen gegenüber gleichgültig ist, desto mehr versuchen sie, geliebt zu werden. Furchtlos setzten sie sich über alle Konventionen hinweg, nur um dieses Ziel zu erreichen. Haben sie einmal die ersten Schritte getan, dann erscheint ihnen auch alles andere als lächerlich und dumm, was unser Geschlecht an Anstand mindestens bewahren muß.
So dachte ich auch, als ich mich entschloß, dem Grafen zu
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