Die galanten Memoiren der Madame Dumoncey
schreiben. Keineswegs war ich gehemmt, ihm ein paar Zeilen zukommen zu lassen. Ich hatte seit einiger Zeit eine gute Freundin in der Rue du Petit-Lion, die von einem Financier, einem Freund meines Geliebten, ausgehalten wurde. Auf sie konnte ich mich verlassen. Sie kannte schon lange meine Absichten, denen sie aber hartnäckig entgegentrat. Als sie aber meinen Starrsinn sah, stimmte sie zu, dem Grafen folgenden Brief zukommen zu lassen:
∗ Unsere Erzählerin hat vielleicht noch nicht von einem gewissen alten Mann gehört, der sich im Alter von 80 Jahren nach seinem Sieg bei Port-Mahon von neuem verheiratete und im Bett sehr tüchtig gewesen sein soll.
»Man liebt Euch, und Ihr seid äußerst kalt. Man bemüht sich, mit Euch zu sprechen, und Ihr bleibt stumm. Eine Frau – das ist etwas Seltenes – ist schließlich gezwungen, Euch zu schreiben, damit Ihr die Macht spürt, die Ihr über sie habt. Habt Ihr eine Ahnung, wer es ist? Ich fürchte, nein. Ich möchte Euch gerne sagen, daß die Morancourt Euch anbetet.«
Dieser Brief wurde dem Grafen sicher zugestellt. Er empfing ihn mit Freude. Aus seinen Augen glaubte ich herauslesen zu können, daß er sich Vorwürfe machte, mir nicht zuvorgekommen zu sein. Durch eine Antwort, die er mir durch meine Freundin zukommen ließ, wußte ich es jetzt mit letzter Sicherheit. Er bat mich, am folgenden Sonntag zu einer Messe in das Blindenhospital zu kommen.
Ich begab mich dorthin. Dann gingen wir in das Palais-Royal, wo wir lange blieben. Wir vereinbarten ein Rendezvous am nächsten Montag bei der obengenannten Freundin. Mein Financier erlaubte mir gerne, zu ihr zu gehen. Der gute Mann hatte nicht den geringsten Verdacht. Ich hatte schlaue Vorsichtsmaßnahmen getroffen und verstand es mit Klugheit, ihn zu täuschen.
Wird man mich jetzt auch nicht tadeln, daß ich nicht genau den Ablauf meiner Liebschaft mit dem Financier schildere? Aber was soll es! Kennt man denn nicht die Rolle, die ein Liebhaber spielt, der mich aushält? Dazu noch, wenn es ein älterer Wucherer wie der meine ist, der sich in nichts von all den Generalpächtern, Bankiers und überhaupt den Financiers unterscheidet. Sie geben Geld aus, um sich Wollust zu kaufen, die nicht auf Zuneigung gegründet ist. Ein solcher Liebhaber kommt zu seiner Mätresse, schläft mit ihr und geht weg. Aber eigentlich ist man sich doch sehr fremd. Man geht sich soweit als möglich aus dem Weg. Er ist nur dazu da, daß er viel Geld bezahlt und häufig und lange abwesend ist. Aber um offen zu sprechen, ich würde mich zu Tode langweilen, wenn ich immer nur von dem guten Mann reden müßte. Bei ihm hielt ich mich nicht freiwillig auf. Allein die Vorteile hatten mich veranlaßt, ihn meine schönen Reize genießen zu lassen. Wie könnte es mir dann Spaß machen, den Ekel zu beschreiben, den ich in seinen Armen so oft empfand! Ich bin fest überzeugt, daß ich bei meinen Lesern mehr durch die Naivität meiner Gefühle und durch eine offene und ehrliche Schilderung meines Verhaltens Gefallen gefunden habe.
Jetzt will ich aber zu meinem geliebten Grafen zurückkehren. Ich war sechs Monate mit ihm zusammen. Das entschädigte mich sehr für meine Abneigung gegen den Financier. Es hätte ohne Zweifel noch länger gedauert, wenn nicht ein Unglück eingetreten wäre, das wir beide ohne Absicht mit verursacht haben.
Ein junger, geschniegelter Abbé, der ein sehr großer Frauenkenner war, hatte mich im Theater beobachtet. Er ruhte nicht, bis er am nächsten Morgen Zutritt zu mir bekam. Seinen Worten nach hatte ich bei ihm eine große Liebe entfacht. Er bemühte sich sehr, mich davon zu überzeugen. Obwohl der Abbé sich mächtig ins Zeug legte, konnte er nichts erreichen, da mein Herz ja schon vergeben war. Deshalb war er sehr ungehalten über meine Gleichgültigkeit ihm gegenüber und vermutete irgendwelche Tricks. Nur acht Tage brauchte er, um dahinterzukommen. Die Jünger der Kirche haben den Teufel im Leib, wenn es darum geht, etwas Übles ins Werk zu setzen.
Als er sich überzeugt hatte, daß meine Interessen dem Grafen galten, war er verbittert. Er besaß aber die Frechheit, mir zu sagen, daß er alles meinem Liebhaber verraten würde, wenn ich ihm nicht bald meine Gunst schenken würde. Darauf habe ich ihm nur mit Hochmut, Verachtung und Entrüstung geantwortet. Ich tat aber noch mehr und berichtete dem Grafen von meinem Gespräch mit diesem kleinen Pfaffen. Der Graf schwor mir, daß der Abbé eine ordentliche Tracht Prügel bekommen
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