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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gesagt, es gebe keine beruflichen Unterlagen deiner Eltern mehr.«
    Alex fühlte sich mit einem Mal angegriffen. »Also ich sehe da nur ein paar Männer auf einem Angelausflug. Das ist für mich etwas Privates. Außerdem kenne ich außer meinem Vater niemanden auf dem Bild.«
    »Aber ich.«
    Ihr lief ein Schauer über den Rücken. »Etwa den da? Den Dritten von links?« Sie zeigte auf das Gesicht. Nummer drei war ein ziemlich hoch gewachsener, muskulöser Mann mit schwarzem Haar, schmalem Schnurrbart und auffallend gerader Haltung.
    Darwin nickte. »Sein Name ist James Jordan. Er war Arzt bei der Army und einer meiner ersten Fälle: Im Militärhospital verschwand immer wieder Morphium. Ich fand heraus, dass Jordan es für den › Eigenbedarf ‹ abgezweigt hatte – er muss Depressionen oder irgendwelche anderen psychischen Probleme gehabt haben. Jedenfalls wurde er von einem Militärgericht verurteilt, durfte aber wegen seiner Verdienste den Abschied nehmen.«
    »Und wie kommt er nach Schottland?«
    »Was?«
    Alex zeigte abermals auf das Bild. »Meine Eltern haben da gelebt. Ich wurde in Schottland geboren und verbrachte den größten Teil meiner Kindheit dort.«
    »Weißt du, wo genau dieses Foto aufgenommen wurde?«
    »Nein. Irgendwo an einem Gewässer halt. Ich kann mich nur noch an unsere Ausflüge zum Loch Venachar entsinnen.«
    »Das liegt in der Nähe von Edinburgh, richtig?«
    »Ja. Da bin ich die ersten Jahre auch zur Schule gegangen…« Alex’ Stimme erstarb. Ihr war, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, eine Erinnerung durch den Kopf geschossen.
    »Was ist?«, fragte Darwin.
    »Als Mrs D’Adderio – die Mutter von Terri Lovecraft – in meinen Armen starb, erwähnte sie ebenfalls Schottland. Sie sagte etwas in der Art wie, dort habe sie Terri unter dem Herzen getragen.«
    »Wenn ihr beide, du und Lovecraft, Geschwister seid, worauf die DNA-Analysen ja hindeuten, dann würde das einen Sinn ergeben. Je länger ich darüber nachdenke, desto fester bin ich überzeugt, dass die Spur nach Schottland, vielleicht sogar nach Edinburgh führt.«
    »Welche Spur? Die der Museumseinbrüche oder die meiner Herkunft? «
    Darwin sah ihr tief in die Augen. Dann antwortete er: »Bist du denn sicher, dass es da einen Unterschied gibt?«
     
     
    Die Unruhe, die Darwin am Ende des Gesprächs in der Brasserie ergriffen hatte, war nach dem überraschenden Bilderfund noch größer geworden. Nervös hatte er sich von Alex verabschiedet und versprochen, sie bald wieder anzurufen.
    Gegen neun Uhr abends steckte sie wieder in Darwins altem Jogginganzug von den Toronto Blue Jays, saß mit einem Porzellanbecher Früchtetee auf dem Sofa und dachte über die vergangenen drei Stunden nach. Lucy machte sich immer noch um die Erhaltung der Londoner Pubs verdient.
    Schottland. Der Name stand wie eine große Überschrift in ihrem Sinn. Darunter reihte sich eine lange Liste von Fragen. Was war in Schottland? Außer Whisky und Lachs selbstverständlich. Wie hatte ihre Existenz dort begonnen? War sie ein Retortenbaby, gezeugt in einem Reagenzglas…?
    Das Schellen des Telefons riss Alex aus der Versenkung. Darwin!, war ihr erster Gedanke. Hatte er etwas über diesen Jordan herausgefunden? Sie sprang auf, eilte zu dem Tischchen im Flur, wo der Apparat gerade zum zweiten Mal läutete. In ihrer Zerstreutheit wartete sie nicht auf das verabredete Klingelzeichen. Erst nachdem sie den Hörer von der Gabel gerissen hatte, wurde ihr die Unvorsichtigkeit bewusst.
    »Hallo?«, meldete sie sich im tiefsten Ton, zu dem sie fähig war.
    Aus der Ohrmuschel kam keine Antwort.
    »Hallo, wer ist denn da?«, rief sie, nun schon energischer, in den Hörer.
    »Alex Daniels?«, fragte eine Stimme, die fast wie ihre eigene klang.
    »Ja«, erwiderte sie mit flauem Gefühl in der Magengrube. Wieder ließ sich der Anrufer Zeit, bevor er sich zu erkennen gab.
    »Hier ist Theo. Ich muss dich dringend treffen.«

 
    Kapitel 12
     
     
     
    »Zweifel ist keine angenehme Voraussetzung, aber Gewissheit ist eine absurde.«
    Voltaire
     
     
    LONDON (ENGLAND),
    Dienstag, 9. Oktober, 19.44 Uhr
     
    Auf dem Weg in die City litt Darwin Qualen. Ein unglaublicher Verdacht rumorte in seinem Schädel, als wäre darin ein Frettchen eingesperrt, das mit Klauen und Zähnen nach draußen drängte. Der unruhige Marder hatte einen Namen. James Jordan. War es ein Zufall, dass Martin Cadwells hünenhafter Bodyguard ebenfalls Jordan hieß?
    Der Argwohn, der Darwin umtrieb, stellte seine

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