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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Bestie werden könnte.
    »Irgendwas Neues, Darwin?«
    Der Gefragte fasste das Ergebnis des Gesprächs mit Alex Daniels zusammen. Die Einzelheiten des wissenschaftlich-philosophischen Diskurses sparte er aus.
    »Was halten Sie davon?«, hakte Cadwell nach.
    »Wären Sie bereit, die Besitzer der achtundsiebzig verbliebenen Kunstwerke zu warnen?«
    »Keine Chance. Sie kennen meine Argumente.«
    »Dann lautet meine Antwort: Daniels hat schon den Prometheus in der engeren Auswahl gehabt, und jetzt kann sie eine Reihe sehr stichhaltiger Gründe für den Bau des Turms von Babel vorlegen. Das Gemälde gehört ebenfalls zu ihrer Auswahlliste. Es hängt im Kröller-Müller-Museum, in der Nähe von Arnheim. Ich finde, wir sollten die Niederländer warnen.«
    »Dann tun Sie das. Am besten, Sie fliegen bei nächster Gelegenheit gleich selbst rüber. Einen weiteren Verlust können wir uns nicht leisten.«
    »Machen die Kunden Schwierigkeiten?«
    »Schwierigkeiten?«, echote Cadwell, und es hörte sich wie eine allmählich in Fahrt kommende Gerölllawine an. »Heute Nachmittag sind bei Reena die Telefone heißgelaufen. Sie musste sich eine Menge beißenden Spott anhören. Ob ArtCare sich demnächst auf die Versicherung von Voodoo-Amuletten verlegen oder den Geschäftsbericht von einem Astrologen erstellen lassen wolle – lauter Äußerungen in der Art. Ernster waren die Warnschüsse in der Tagespost.«
    Darwin sah seinen Chef verständnislos an. »Wegen der Einbruchsserie?«
    »Nein. Oder zumindest nicht in erster Linie. Es geht um diese › Galerie der Lügen ‹ Ihres Mediums, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Das Britische Museum und das Field Museum in Chicago haben uns mit der Kündigung sämtlicher Verträge gedroht, wenn das Unternehmen seine Kampagne gegen die Wissenschaft nicht unverzüglich einstelle.«
    »Haben Sie ihnen erklärt, dass Alex Daniels nicht auf unserer Gehaltsliste steht?«
    »Meinen Sie, das interessiert irgendwen? Die Diebstähle betreffen unsere Firma, und Daniels schreibt über die Diebstähle – also verbreitet sie die Meinung von ArtCare.«
    »Entschuldigung, Martin, aber das ist absurd. Außerdem ist Daniels nicht gegen die Wissenschaft, sie kann sich nur mit einem bestimmten Modell nicht anfreunden.«
    »Die Evolutionslehre ist eine Tatsache.«
    »Offensichtlich gibt es darin aber ein paar Stellen, die nicht so wasserdicht sind, wie allgemein behauptet wird. Nach meinem Verständnis von Wissenschaft ist es legitim, solche Punkte zu hinterfragen.«
    »Da gebe ich Ihnen sogar Recht. Aber man breitet so was nicht vor einer Öffentlichkeit aus, die davon nichts versteht. Von mir aus soll sich Daniels mit den Experten auseinander setzen, aber nicht dieses populistische Schmierentheater aufführen.«
    »Leider weigern sich die meisten Naturwissenschaftler, mit Andersdenkenden über dieses Thema zu diskutieren. Vielleicht fürchten sie ja deren Argumente.«
    »Das ist doch Unsinn! Dieses Enfant terrible, das sich Journalistin nennt, kann nicht einhundertfünfzig Jahre Forschung so einfach in Frage stellen, ohne Unmut zu erregen. Soll es uns so gehen wie der Kirche, die mit dem Fall Galilei ihren Ruf ruiniert hat?«
    »Das lag wohl daran, dass sie nicht von ihren Dogmen lassen wollte.«
    »Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Sie diese Männer fressende Chimäre andauernd verteidigen? Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich?«
    Darwin öffnete den Mund, um zu einer empörten Gegenrede anzuheben, hielt dann aber inne. Hatte Cadwell die Journalistin eben eine »Chimäre« genannt? Meinte er das nur allegorisch? Wollte er ihre gelehrt klingenden Argumente als Trugbild brandmarken? Oder war das Wort im wissenschaftlichen Sinne gemeint? Darwin entsann sich dunkel, dass der Begriff Chimäre in der Biologie etwas mit Vermischung zu tun hatte, aber er bekam die genaue Bedeutung nicht mehr auf die Reihe. Wusste Cadwell um die zweigeschlechtliche Natur von Alex? In dem kurzen Gespräch hatte er von ihr, soweit Darwin es noch rekapitulieren konnte, wie von einem Neutrum geredet…
    Der Detektiv schluckte seine hitzige Erwiderung hinunter und schlug stattdessen einen gemäßigteren Ton an.
    »Es geht doch nicht darum, ob ich Daniels’ Weltanschauung teile oder nicht – offen gestanden, finde ich viele ihrer Ansichten reichlich abenteuerlich.«
    »Lächerlich wäre wohl das passendere Wort! Leute wie Daniels wollen die Wissenschaft ins Mittelalter zurückbomben. Ich kann gut nachfühlen, wenn

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