Die Galerie der Lügen
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Vermutlich hatte er irgendwo in der Nähe gesessen und seine Anlage getestet. Vielleicht besaß er sogar Kameras, die Bilder von der allgemeinen Verwirrung einfingen. Alex konnte sich lebhaft vorstellen, wie er sich ins Fäustchen gelacht hatte. Rechtzeitig bevor die Carabinieri die Störung als ernstes Problem erkennen konnten, war wieder alles ganz normal gewesen.
Alex griff zum Telefon, das auf einem halbrunden Bord neben dem Bett stand. Sie hatte den Hörer schon in der Hand, als sie zögerte.
Was wollte sie den Leuten in der Rezeption denn sagen? Rufen Sie bei den Carabinieri an und erklären Sie ihnen, jemand störe ihren Funkverkehr. Vermutlich würde man sie für hysterisch halten. Selbst wenn das Hotel die Meldung an die Polizei weitergab, war äußerst fraglich, ob man sie dort überhaupt beachtete. Vermutlich konnten sich die Beamten ohnehin kaum vor wütenden Anrufen der Anwohner retten. Nein, sie musste selbst hingehen und Darwin warnen.
Nachdem sie bei der Rezeption ein Taxi bestellt hatte, kämpfte sich Alex auf die Beine. Aus dem brennenden Schmerz in ihrem Kopf war ein leises Pochen geworden. Sie hatte in den letzten Tagen durchaus Schlimmeres durchgemacht. Wankend lief sie ins Badezimmer und benetzte ihr Gesicht mit kaltem Wasser. Der anschließende Blick in den Spiegel war erschreckend.
Sosehr sie sich auch dagegen sträubte, unterlag sie doch dem Zwang, ihre Haare zu bürsten. Zum Umziehen blieb keine Zeit.
Sie nahm ihre Jacke, die sie nachmittags auf die Bank am Fußende des Bettes geworfen hatte, und eilte aus dem Zimmer. Als sie die Lobby erreichte, wartete das Taxi bereits vor dem Hoteleingang. Mit Hilfe des Portiers teilte sie dem Fahrer mit, er solle sie so dicht wie möglich an die Galleria dell’Accademia heranbringen. Es sei dringend, nein, lebenswichtig.
Der rundliche Mann am Steuer schien über den Auftrag erfreut zu sein. Mit quietschenden Rädern startete er durch.
Die Annäherung an die Via Ricasoli gestaltete sich schwierig. Ohnedies war es die Zeit, in der das Nachtleben von Florenz erwachte – die Italiener gingen selten vor neun Uhr abends in ein Restaurant. Das ausgeklügelte System aus Einbahnstraßen machte zudem einen Riesenumweg erforderlich. Und dann kamen noch die Verkehrsbehinderungen durch die Absperrung rund um die Akademie hinzu.
In der Via Cesare Battisti ging dann gar nichts mehr. Das Taxi steckte in einer Wagenkolonne fest, die zwar Motoren- und Hupgeräusche von sich gab, sich aber in den letzten fünf Minuten um kein Stück bewegt hatte. Alex bezahlte den Fahrer, ließ sich in Zeichensprache den Weg zur Akademie beschreiben – zweite Querstraße links – und nahm das letzte Stück zu Fuß in Angriff.
Neue Schwierigkeiten kündigten sich an, als sie sich der Piazza di San Marco näherte, von der man in die Via Ricasoli gelangte. Mindestens zwei-, vielleicht sogar dreihundert Schaulustige standen vor der Absperrung. Einige Männer und Frauen schimpften mit südländischer Inbrunst. Vielleicht waren es Anwohner, die zu ihren Häusern wollten, aber nicht durften. Grimmig dreinblickende Carabinieri mit Maschinenpistolen ließen keine Zweifel darüber aufkommen, wie man mit Durchbruchsversuchen umgehen würde.
Alex blickte auf ihre Armbanduhr. Kurz nach zehn. Wenn Theo seine Strategie nicht änderte, dann würde er vor Mitternacht zuschlagen. Es blieb also nicht mehr viel Zeit.
Mühsam kämpfte sie sich bis zu den Polizisten durch.
»Wer hat den Befehl?«, rief sie auf Englisch.
Niemand beachtete sie.
»Il comandante?« , versuchte sie es bei einem hageren Uniformierten auf Italienisch.
Er schüttelte nur den Kopf.
Sie lief an dem Kordon entlang zum nächsten Polizisten und wiederholte zweisprachig ihre Frage. Wieder Fehlanzeige. Alex zog weiter. Fast hatte sie schon das Ende der Postenkette erreicht, als ihr ein junger Carabiniere auf Englisch antwortete.
»Sie können hier nicht durch, Signora.«
»Ich gehöre zu Darwin Shaw, dem Versicherungsdetektiv von ArtCare«, erklärte sie.
Der Beamte sah sie verständnislos an.
Alex stöhnte. Ihr war übel. Wie hieß nur der Einsatzleiter…?
»Sagen Sie Comandante Alessandro Mello, dass Ms Alex Daniels eine dringende Nachricht für ihn und Mr Shaw hat. Es geht um den David.«
»Das kann ich nicht«, entgegnete der Polizist.
Alex riss der Geduldsfaden. Ihre Stimme schrillte wie eine Sirene. »Aber Sie müssen es tun, Sie verdammter Holzkopf. Michelangelos David kann jeden Moment in die
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