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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Sofort zog er den Kopf ein. Hinter ihm prallte etwas von der Säule ab.
    Das Geräusch verwirrte ihn. Eine Kugel, die durch einen Schalldämpfer abgefeuert wurde, hörte sich anders an. Vielleicht verschoss der Angreifer irgendeine Betäubungsmunition. Vorsichtig spähte er hinter der Skulptur hervor.
    Sofort zischten zwei weitere Geschosse an ihm vorbei.
    Der Detektiv schreckte keuchend zurück und machte zugleich die Taschenlampe aus. Wie war das möglich? Der Bursche hatte definitiv keine Nachtsichteinheit getragen. Darwin hörte ein Rascheln, wie wenn eine Fußsohle über den Boden streicht. Sein Gegner kam näher. Darwins Puls beschleunigte sich. Noch ein paar Sekunden, und seine Deckung zwischen den Säulen würde zur Falle werden. Er durfte sich nicht in die Defensive drängen lassen. Wer reagiert, verliert. Höchste Zeit zu handeln.
    Um nicht erneut zu straucheln, schob er mit der Schuhsohle sacht die am Boden liegenden Papiere hinter sich. Danach kontrollierte er den Sicherungshebel seiner Waffe und legte die Hand mit der Stablampe stützend unter den Griff der Beretta. Gerade als er seine Deckung verlassen wollte, hörte er ein Wispern.
    »Tu das nicht!«
    Darwin kämpfte gegen einen Schauder an. Der Bursche war doch keine Fledermaus. Wie konnte er…? Alex lässt ihre Haut im Dunkeln leuchten. Er wird auch seine Besonderheiten haben. Der Gedanke versetzte Darwin einen gehörigen Schrecken. So musste es sein. Theo – oder wer immer sich ihm da näherte – war ebenfalls eine Chimäre, ein Mensch mit tierischem Erbgut. Vielleicht besaß er durch eine genetische Manipulation mehr Lichtsinneszellen als normal.
    Aber er war gewiss kein Superman.
    Ehe sein Zweckoptimismus erneut in Zweifeln versinken konnte, schnellte Darwin hinter der Figur hervor. Zugleich schaltete er seine Taschenlampe wieder an und feuerte drei schnelle Schüsse ab.
    Noch während er sich wieder in die Deckung zurückzog, sah er etwas aufblitzen. Fast synchron dazu hörte er ein puffendes Geräusch und spürte einen Schlag am rechten Oberarm, der ihm die Pistole entriss. Sie klapperte auf den Boden und rutschte in unerreichbare Ferne. Vor Überraschung geriet er auch noch ins Straucheln und verlor auf der Suche nach Halt seine Taschenlampe. Sie fiel auf die Steinplatten und erlosch.
    Darwins Linke tastete nach dem verletzten Arm. Erst spürte er feuchtes Blut, und dann meldete ihm das Bewusstsein Schmerz. Offenbar hatte sein Gegner die Waffe gewechselt, nachdem er sich von einer Pistole bedroht sah.
    »Komm heraus, dann geschieht dir nichts!«
    Das lockende Flüstern des Schemen ließ Darwin abermals erschauern. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel, in dem er die Rolle des Nagers innehatte. Was konnte er noch tun, um sich der Krallen des Jägers zu erwehren? Die Aufforderung, sich zu zeigen, war gewiss nur eine Kriegslist. Allerdings – warum ging sein Gegner nicht längst zum Angriff über?
    Weil er nicht ausschließen kann, dass du noch eine zweite Waffe hast.
    Doch was nützte ihm diese Einsicht? Die Katze würde nicht ewig warten. Er musste das Heft in der Hand behalten, in Aktion bleiben. Aber wie konnte er agieren, verletzt, wie er war, ohne Waffe und ohne Licht…?
    Mit einem Mal durchfuhr Darwin ein elektrisierender Gedanke. Er ignorierte den Schmerz im Arm und griff in die linke Jackentasche. Seine Hand schloss sich um kühlen Stahl und Kunststoff. Sein Schweizer Messer war Waffe und Licht zugleich, denn es besaß ja die blaue »Laserflamme« (genau genommen handelte es sich um ein gebündeltes Gaslicht). Rasch klaubte er die vorher achtlos beiseite geschobenen Zettel vom Boden.
    Er konnte nur ahnen, auf welchem Prinzip das Nachtsehen seines Kontrahenten basierte. Die von der Armee und den Spezialeinsatztruppen eingesetzte Technik benutzte gewöhnlich leistungsfähige Restlichtaufheller, oft in Verbindung mit Infrarotsensoren. Beide Methoden kamen auch im Tierreich zur Anwendung. Eine heiße helle Lichtquelle mochte die auf schwächste Reize adaptierten Augen des Jägers lange genug blenden, um ihn überrumpeln zu können.
    Darwin drehte sich mit dem Gesicht zur Wand, um sein Tun so lange wie möglich mit dem Körper zu verbergen. Er holte die Messerklinge weit genug aus ihrer Bucht, um sie nachher sofort aufklappen zu können. Hierauf legte er den Einsatzplan aus der rechten Jackentasche zu den Blättern, die sich schon in seiner Hand befanden, und betätigte den piezoelektrischen Zündmechanismus. Eine hoch konzentrierte heiße

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