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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bitte, Ms…«
    Er hatte seine Hand beschwichtigend auf ihren Unterarm legen wollen, aber sie wich der Berührung so heftig aus, als habe sie einen elektrischen Schlag erhalten.
    Einige Sekunden lang sahen sie sich an, wie zwei Menschen, die einander plötzlich im Nebel begegneten.
    Daniels hielt die Arme um ihren Leib geschlungen. Ihre Linke lag auf der Schulter. Nach einer Weile begannen ihre langen Finger wieder an den blonden Strähnen im Nacken zu zupfen.
    »Verzeihen Sie«, stammelte Darwin und stand vom Tisch auf, um mehr Abstand zwischen sich und diese kontaktscheue Person zu bringen. Er lächelte, ziemlich unbeholfen, wie er glaubte. »Jetzt muss ich mir wohl Notizen machen.«
    Die Hände der Frau kehrten langsam auf die Tischplatte zurück, ihr Blick fixierte eine Stelle irgendwo zwischen den abgespreizten Daumen. Sie verzog keine Miene, als sie den Wunsch hinzufügte: »Wenn Sie schon gerade dabei sind: Bitte machen Sie auch Ihr Handy aus.«
    Darwin fragte sich, ob Daniels paranoid sein könnte. Womöglich würde sie ihn als Nächstes anflehen, seine Armbanduhr anzuhalten. Merkwürdig war die Sache mit dem Mobiltelef on allerdings schon. Er hätte das aktivierte Gerät gar nicht in den Besucherraum mitnehmen dürfen. Woher wusste sie, dass er gleich zweimal gegen die Vorschriften verstoßen hatte?
    Er ließ sich Zeit, als er zunächst das Mobiltelefon abschaltete und anschließend Schreibblock und Kugelschreiber aus der Aktenmappe holte. Sie musste sich beruhigen und er ebenso.
    Wenigstens war er mit dem Hermaphroditenfoto auf eine Ader gestoßen. Jetzt galt es, ihr Wissen nur noch ans Tageslicht zu befördern. Wenn Dynamit einmal hilft, dann vielleicht auch ein zweites Mal, schlussfolgerte er und schob eine weitere Fotografie über den Tisch. Sie verharrte genau an der Stelle, die von den violetten Augen fixiert wurde.
    Auf dem Bild war der Saal 17 des Louvre zu sehen: ein geschwärzter Steinsockel, ein Fußboden voller Schotter, der einmal Kunst gewesen war, ein abgesprengtes Gesicht aus Marmor, reichlich Blut, ausgebeulte Plastikplanen. Unter einer schaute ein Fuß hervor.
    »So sah der Karyatidensaal des Louvre nach der Explosion aus«, sagte Darwin. »Wollen Sie Ihr Gewissen wirklich bis an Ihr Lebensende mit dieser schrecklichen Tat belasten? Vielleicht waren Sie ja nur eine Komplizin, die lediglich das Sicherheitssystem des Museums manipuliert hat. Alle drei Einbrüche, von denen Sie die Bilder gesehen haben, weisen diesbezüglich auf ein erstaunliches technisches Wissen hin. Auffällig ist auch der exakte Zeittakt der Verbrechen – wie bei einem Metronom, das auf sieben Tage eingestellt ist. Wenn Sie mir irgendetwas über die Vorfälle sagen können, dann – bitte! – tun Sie es.«
    Daniels sah von dem Foto auf. Ihre geheimnisvollen Augen blickten ihn durchdringend an. Er spürte ein merkwürdiges Kribbeln im Nacken. Diese Frau war von einer unsichtbaren Aura umgeben, die seine Selbstsicherheit mehr erschütterte, als er es sich eingestehen wollte.
    »Wozu?«, wiederholte sie. »Für Sie steht doch sowieso schon fest, dass ich schuldig bin.«
    »Bisher haben Sie leider wenig zu Ihrer Entlastung beigetragen, Ms Daniels. Oder glauben Sie wirklich, es gibt irgendeinen Ermittler, der Ihr Alibi für glaubhaft hält? Ich meine, wochenlang in der Wohnung hinter dem Computer sitzen – welcher normale Mensch tut so was? Nachbarn, der Postbote – irgendjemand muss Sie doch gesehen haben?«
    »Jeden Morgen laufe ich durch den Regent’s Park.«
    »Haben Sie Zeugen?«
    »Es ist immer noch dunkel, wenn ich nach Camden Town zurückkehre.«
    »Niemand, mit dem Sie ab und zu ein Schwätzchen halten?«
    »Ich achte nicht besonders auf andere Leute.«
    »Und warum verhalten Sie sich wie ein Phantom, das nur im Dunkeln seine Wohnung verlässt?« Darwin merkte, wie sein Ton schärfer wurde.
    Sofort schaltete sie wieder auf stur.
    Deutlich milder fragte er: »Ms Daniels, bitte denken Sie nach. Wie sieht es mit Dienstleistern aus? Ärzte zum Beispiel.«
    »Ich gehe nicht zum Arzt.«
    »Aber Sie werden doch wenigstens einkaufen. Oder den Pizza-Service rufen.«
    »Ein- oder zweimal war ich im Supermarkt, um meine Gefriertruhe aufzufüllen. Aber glauben Sie wirklich, die Kassiererin bei ASDA kann sich an mich erinnern?«
    Darwin zweifelte daran. Natürlich würde Mortimer seine Leute darauf ansetzen. Barscher als beabsichtigt fragte er: »Warum wollen Sie sich eigentlich nicht verteidigen?«
    Sie fuhr erschrocken

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