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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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erübrigt.«
    Die Gefangene betrachtete Darwin mit einem schwer zu deutenden Ausdruck. Lag Verachtung darin? Oder Mitleid? »Merken Sie nicht, dass Sie in einer Gedankenfalle stecken, Mr Shaw? Man kann doch eine Person nicht durch ihre Erfindung oder den von ihr geschaffenen Mechanismus ersetzen. Oder kämen Sie jemals auf die Idee, nachdem Sie ein Ford-T-Modell bis zur letzten Schraube erforscht und seine Funktionsweise genau verstanden haben, Henry Ford als Konstrukteur zu verleugnen?«
    »So ein Wagen ist eine Maschine. Sie kann sich nicht fortpflanzen. Lebende Organismen tun das aber.«
    »Wollen Sie mir sagen, weil ein biologisches System mehr leistet als ein technisches, kann es keinen intelligenten Designer haben? Die Logik erschließt sich mir nicht. Viele selbstständige Regelungs- und Steuermechanismen in der Technik sind biologischen Vorbildern abgeguckt. Wenn schon deren Nachbau wissenschaftliches Know-how und höchste Ingenieurkunst erfordert, sollte man dann vom Erfinder nicht erst recht überragende Intelligenz erwarten?«
    »Diese kindischen Vergleiche führen doch zu nichts, Ms Daniels. Ich bleibe dabei: Die Evolution ist keine Angelegenheit von Überzeugungen, sondern eine wissenschaftliche Tatsache.«
    »Sie scheinen Ihrer Sache sehr sicher zu sein. Hat das mit Ihrem Vornamen zu tun?«
    Die Frage klang weniger aggressiv als die Bemerkungen davor, nicht etwa spöttisch, sondern eher von Neugier beflügelt. In der Hoffnung, das Gespräch wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken, antwortete Darwin freimütig: »Sie werden lachen, das könnte durchaus sein. Mein Vater war ein großer Bewunderer von Charles Darwin, und ich teile seine Hochachtung vor diesem großen Mann. Abgesehen davon fand er den Namen schön. Er ist altenglisch und bedeutet…«
    »… › Geliebter Freund ‹ . Ich weiß.« Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. »Jetzt verstehe ich Sie besser, Mr Shaw. Früher haben die Leute eine Religion in die Wiege gelegt bekommen und sie bis zur Bahre nie hinterfragt, und heute geschieht das Gleiche mit dem Glauben an die Evolution. Sind Ihnen jemals Zweifel daran gekommen?«
    »Sie verwechseln Mythen mit Wissenschaft. Warum sollte ich die Abstammungslehre in Frage stellen? Ich habe ja auch nicht daran gezweifelt, dass die Bilder, die Sie eben vom Tisch gefegt haben, zu Boden fallen würden.«
    »Sie vergleichen schon wieder Birnen mit Äpfeln. Phänomene wie die Gravitation können durch wissenschaftliche Methoden nachgewiesen werden. Sie brauchen sich nur im Herbst unter einen Apfelbaum zu legen, und Ihnen wird früher, als Ihnen lieb sein mag, eine Frucht auf den Kopf fallen. Gattungsübergreifende Evolution ist dagegen keinesfalls von jedem zu jeder Zeit experimentell wiederholbar. Man hat sie nie beobachtet. Darf ich fragen, welcher Glaubensrichtung des Darwinismus Sie angehören?«
    Darwin blinzelte irritiert. »Was meinen Sie?«
    »Na, es ist doch ganz ähnlich wie in der Christenheit, wo es Anglikaner, Katholiken, Puritaner, Baptisten und die anderen Bekenntnisse gibt. So haben auch die Widersprüche in Darwins Theorie unterschiedliche › Konfessionen ‹ entstehen lassen. Wie bei den religiösen Glaubensbekenntnissen finden Sie Überschneidungen, manchmal aber auch ganz klare Gegensätze. Es gibt die Vertreter der synthetischen Evolution – die Protestanten, wenn man so will –, dann die Anhänger der kritischen Evolution oder die Jünger der Panspermie, zu denen Francis Crick gehörte, der berühmte Doppelhelix-Pionier und Nobelpreisträger. Glaubt man dieser Idee, dann sind die ersten Lebenskeime von irgendwo aus dem Weltraum zu uns auf die Erde gekommen. Welcher Sekte gehören Sie an, Mr Shaw?«
    »Ehrlich gesagt war mir bisher nicht bewusst, dass es da solche Unterschiede gibt.«
    »Kein Wunder.«
    »Was soll das jetzt heißen?«
    »Geht nicht gegen Sie, sondern gegen die Neodarwinisten, die reformierten Anhänger von Darwins Heilslehre. Nach außen stellen sie ihre Theorie gerne als monolithische Lehre dar, einen gewichtigen Granitblock, an dem bestenfalls hier und da noch ein wenig zu polieren ist. Man muss schon mit Ausdauer suchen, um ehrliche Wissenschaftler wie Colin Patterson zu finden – er war hier in London der Senior-Paläontologe und Leiter der Paläontologischen Abteilung des British Museum of Natural History. Ich weiß nicht, ob ich es noch zusammenbekomme, aber er hat sinngemäß in seinem Buch Evolution geschrieben: › Eine Theorie, selbst

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