Die Galerie der Lügen
eine wissenschaftliche Theorie, kann eine intellektuelle Mode werden, ein Religionsersatz, ein Dogma, das sich eingebürgert hat. Das ist sicherlich mit der Evolutionstheorie so gewesen .‹ Ich finde, das sagt alles. Sie wollen Ihre Museumseinbrüche doch aufklären, nicht wahr?«
Die Gedankensprünge der jungen Frau waren verwirrend. Darwins Stirn warf Falten. »Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
»Sie müssten denken wie diese Leute, um das zu verstehen.«
Darwin war es jetzt leid. Wollte diese Frau nur von ihrer Schuld ablenken, oder wusste sie wirklich etwas, das sämtliche an dem Fall beteiligte Ermittler bisher übersehen hatten? »Reden Sie Klartext, Ms Daniels.«
»Das kann ich nicht.«
»Und warum?«
»Weil Sie den Test nicht bestanden haben. Wenn ich Ihnen meine Gedanken offen legen würde, klängen sie in Ihren Ohren vermutlich wie ein Hirngespinst. Sie würden mir nicht glauben. Und selbst wenn, könnten Sie dadurch die weiteren Einbrüche nicht verhindern.«
»Weitere…?«
»Wenn Sie damit Ihren Fall lösen könnten, Mr Shaw, wären Sie bereit, Ihre Ansichten auf den Prüfstand zu bringen?«
»Sie meinen, im Hinblick auf die Entstehung des Lebens?«
Daniels nickte. »Angenommen Sie würden erkennen, dass die Evolutionstheorie von ihren Anhängern a priori – damit meine ich, von vornherein – als wahr angesehen wird und sich einer auf Logik und Beweisen beruhenden wissenschaftlichen Prüfung entzieht, würden Sie in diesem Fall zugeben, dass diese Lehre auch nur eine moderne Form der Religion ist?«
Darwin musste sich zusammenreißen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Den drohenden Unterton konnte er trotzdem nicht ganz aus seiner Stimme verbannen. »Hören Sie auf mit Ihren Spielchen, Ms Daniels. Sie wissen genau, ich bin weder Biologe noch Paläontologe, noch habe ich sonst irgendeine Qualifikation, die mich zur kritischen Hinterfragung einer solchen Theorie befähigen würde.«
»Sie plappern schon wieder eine Schutzbehauptung der Darwinisten nach. Lesen Sie bei Ihrem Namensvetter nach – nicht Charles Robert Darwin, sondern George Bernard Shaw. Er sagte: › Hohe Bildung kann man dadurch beweisen, dass man die kompliziertesten Dinge auf einfache Art zu erläutern versteht. ‹ Um in einer Lehre eklatante Fehler zu erkennen, braucht es nicht mehr als einen willigen und wachen Verstand. Wie ich Sie einschätze, haben Sie den.«
»Danke. Leider brauche ich meinen Grips, um den nächsten Diebstahl abzuwenden, den Sie eben angekündigt haben. Ich werde meine Zeit nicht an ein Thema verschwenden, das längst zum Wissen der Menschheit gehört und durch Tausende von Fakten belegt ist.«
Die Gefangene schüttelte den Kopf wie eine Lehrerin, die über einem begriffsstutzigen Schüler zu verzweifeln droht. »Solange Sie sich weigern, den Unterschied zwischen einem metaphysischen Paradigma und einer wissenschaftlichen Theorie auch nur zu durchdenken, werden Sie die Absichten dieser Leute nie verstehen.«
Jetzt platzte Darwin der Kragen. »Das hier ist nicht das Schweigen der Lämmer« , zischte er. »Ich bin zu lange in diesem Geschäft, um mich auf irgendwelche psychologischen Spielchen mit einer Mordverdächtigen einzulassen. Wenn Sie etwas zur Aufklärung der Fälle beitragen können, dann reden Sie endlich.«
»Anscheinend haben Sie noch nicht bemerkt, dass der Kopf, der sich diese drei Einbrüche ausgedacht hat, mit Ihnen genau das tut, wovor Sie sich fürchten: Er will Sie zu einem › psychologischen Spielchen ‹ einladen. Er möchte herausfinden, ob Sie ein › unachtsamer Schläfer ‹ sind, Mr Shaw.«
Darwin merkte auf. Hatte sein Schuss ins Blaue etwa doch getroffen? »Dann geben Sie also zu, dass zwischen dem Anschlag auf die Skulptur und den beiden Diebstählen ein Zusammenhang existiert? «
»Gar nichts gebe ich zu.«
»Aber eben sagten Sie doch…«
»Die Täter haben etwas zurückgelassen, das sich im Bild von Magritte wiederfindet. Darauf wollte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken.«
»Sie werden lachen, aber die rote Decke und der Apfel sind mir auch schon aufgefallen. Im Louvre gab es allerdings nichts dergleichen.«
»Sind Sie sicher?«
Darwin zögerte. »Die französische Spurensicherung versteht ihr Handwerk.«
»Vielleicht ist er übersehen worden.«
»Wer?«
»Der Spiegel.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ausgerechnet ein Spiegel…? « Darwin schüttelte den Kopf. Mit dieser Frau war anscheinend kein vernünftiges Gespräch möglich. »Auf die
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