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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Gefahr mich zu wiederholen: Ihre Fingerabdrücke, Ms Daniels, sind in Paris auf einem Apparat gefunden worden, der eindeutig mit der Tat in Verbindung steht. Das können Sie nicht leugnen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass unter einhundert Millionen untersuchten Personen keine zwei gleichen Linienmuster zu finden seien. Alle Indizien sprechen gegen Sie.«
    Daniels entgegnete kühl: »Wissen Sie, was Francis Crick einmal gesagt hat? › Eine Theorie, zu der alle Fakten passen, ist mit ziemlicher Sicherheit falsch, da einige der vorliegenden Fakten mit Sicherheit falsch sind. ‹ «
    »Wollen Sie ernsthaft behaupten, die Fingerabdrücke stammten von jemand anderem?«, entgegnete Darwin argwöhnisch. Hatte Mortimer mit ihr über seine Zweifel gesprochen?
    »Ja. Als Experte müsste Ihnen bekannt sein, dass die Wissenschaftlichkeit der Daktyloskopie seit Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts in Frage gestellt wird. Oft sind die gesicherten Spuren unvollständig oder von schlechter Qualität. In den Vereinigten Staaten haben die Richter in mehreren Prozessen Fingerabdrücke als Beweismittel abgelehnt.«
    Natürlich hatte er darüber gelesen. Aber so etwas bindet man in einem Verhör keinem mutmaßlichen Täter auf die Nase, schon gar nicht, wenn die Anklage ohne dieses Indiz zusammenbricht. Darwins Augen verengten sich zu schmalen Schl itzen. »Wieso wissen Sie so gut darüber Bescheid? Sagen Sie jetzt nicht, dass Fingerabdrücke etwas mit der Evolutionstheorie zu tun haben.«
    »Nicht direkt, sieht man davon ab, dass ein Pionier dieses Verfahrens Sir Francis Galton gewesen ist, ein Cousin von Charles Darwin.«
    »Und?«
    »Beide haben sich sehr für menschliche › Rassen ‹ interessiert. Der große Charles dachte seine Theorie vom Überleben des Fittesten konsequent zu Ende und meinte, die zivilisierten Rassen würden die wilden in einer nicht allzu fernen Zukunft ausrotten. Sein Vetter Francis war weniger radikal und wollte aus Fingerabdrücken lediglich Rückschlüsse auf die ethnische Herkunft wie auch auf die Intelligenz und das Erbgut einer Person herleiten. Galton sah die Unmöglichkeit seines Ansatzes ziemlich schnell ein.«
    »Deshalb kennen Sie sich in der Daktyloskopie aus? Lächerlich!«
    »Der eigentliche Grund war ein anderer. Ich habe nach Analogien gesucht, um die Frage zu prüfen, ob die Evolutionstheorie eine möglicherweise gefährliche Ideologie oder ob sie wissenschaftlich ist. Das Oberste Gericht der USA hatte vor vierzehn oder fünfzehn Jahren neu bestimmt, welchen Anforderungen eine Methode genügen muss, um als Wissenschaft und damit als Lieferantin gerichtsverwertbarer Beweise anerkannt zu werden. Der Supreme Court verlangte unter anderem von den Richtern festzustellen, ob die Methode überprüfbar ist und überprüft worden ist. Außerdem sollte belegbar sein, welche Fehlerraten sie besitzt. Ein Verfahren, das sich dauerhaft der Falsifizierbarkeit entzieht, sich also unmöglich als falsch entlarven lässt, kann kaum den wissenschaftlichen Anspruch auf Richtigkeit erheben. Diese höchstrichterlichen Beurteilungskriterien fand ich sehr aufschlussreich für meine Arbeit.«
    »Mag ja sein, aber bis heute sind Fingerabdrücke immer noch das wichtigste Mittel zur Personenidentifikation. In Großbritannien werden Sie kaum einen Richter f inden, der daran zweifelt.«
    Wieder musste Darwin sekundenlang dem stechenden Blick aus Daniels’ violetten Augen standhalten, ehe sie erstaunlich ruhig entgegnete: »Es gibt mehr als sechs Milliarden Menschen auf der Welt, Mr Shaw. Wenn Sie Ihre eigene Aussage hernehmen und falls Ihre Statistik stimmt, dann könnten außer mir noch sechzig andere Personen auf diesem Planeten den Einbruch im Louvre begangen haben.«
    Sie verschränkte die Arme über der Brust und lehnte sich wieder in den Stuhl zurück. Eine unmissverständliche Geste, die auf eine neue Phase des Schweigens hindeutete.
    Darwin verfluchte innerlich diese Frau. Wie kann man in einer so verzwickten Lage dermaßen viel Arroganz aufbringen? Nach einem tiefen Atemzug sagte er: »So kommen wir nicht weiter. Wenn Sie mir nicht helfen wollen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
    Alex Daniels rührte sich nicht. Nicht einmal einen weiteren Blick hatte sie für ihn übrig.
    Wie ein müder alter Mann stemmte sich Darwin aus dem Stuhl und lief zur Tür. Gerade wollte er den Klingelknopf drücken, um nach der Wärterin zu rufen, als er hinter sich Daniels’ Stimme hörte.
    »Mr

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