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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Ich bekomme davon Kopfschmerzen. Bitte seien Sie so lieb.«
    Er zog das Telefon aus der Collegemappe und trennte es vom Netz. »Besser so?«
    »Viel besser«, antwortete sie und fügte sogleich eine Frage an. »Soll ich Ihre Jacke auf einen Bügel hängen? Dann kann sie etwas trocknen, solange wir…« Sie ließ den Satz unvollendet.
    Darwin schob unwillkürlich das Kinn vor, während er den unausgesprochenen Worten nachspürte, aber als er sie nicht fand, zog er sein feuchtes Sakko aus und gab es ihr. »Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
    »Keine Ursache.«
    Während sie sich nach einem Haken reckte, musterte er verstohlen ihren schlanken Körper. Keine Frage, diese Alex Daniels wirkte fraulicher als jene in Holloway, die in einer viel zu weiten Anstaltskleidung gesteckt hatte. Ihre schmalen Hüften entsprachen zwar nicht ganz seinem Idealbild weiblicher Rundungen, aber trotzdem fand er sie attraktiv. Sie trug eine hellgraue, leger geschnittene Hose aus feinem Stoff und einen schwarzen Stickpullover, unter dem ihre Brüste nur schwach zum Vorschein kamen. Ihre kurzen Haare waren auf eine kunstvolle Weise verstrubbelt.
    Als sie sich zu ihm umdrehte und seinen Blick bemerkte, waren ihre Finger sofort wieder in den blonden Strähnen. So selbstbewusst diese Frau in der Sache sein konnte, so befangen wirkte sie im zwischenmenschlichen Kontakt. Diese Scheu macht sie ein bisschen sympathischer, dachte Darwin und schickte sich an, die gegenseitigen Befangenheiten aus dem Weg zu räumen.
    »Von außen sieht das Haus so schlicht aus. Aber von innen… Immer wieder erstaunlich, was man aus den alten Mews machen kann.«
    »Ja, die Glaselemente schaffen einen spannenden Dialog zu der fast trutzigen Backsteinfassade«, antwortete sie, als habe sie den Satz aus einem Immobilienkatalog auswendig gelernt, überraschte ihren Gast jedoch gleich darauf mit einem ungewöhnlichem Geständnis. »Ich bilde mir immer ein, das Haus ist ein bisschen wie ich selbst: von außen wehrhaft und verschlossen, aber innen hell und transparent.«
    Darwin betrachtete nachdenklich Daniels’ Gesicht. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, durch einen schmalen Spalt in ihre Seele sehen zu können. Unvermittelt wurde er sich ihres Blickes bewusst, ruckte mit den Augen nach links und deutete auf einen Rahmen, der neben der Garderobe hing. Darin befand sich nicht etwa ein Bild, sondern ein Zitat.
     
    »Mir wurde klar, dass die Wissenschaft keine Antworten auf die wirklich interessanten Fragen hat. Und da entdeckte ich die Philosophie. Seither bin ich auf der Suche nach Gott.«
     
    »Interessanter Ausspruch«, sagte er. »Welcher große Denker hat ihn uns denn hinterlassen?«
    Wieder schmunzelte sie. »Sie sind wohl kein Kinofan, was? Diese Worte sind nicht älter als das Jahrhundert. Sie stammen aus dem Film Red Planet.«
    »Hab ich sogar gesehen. Science-Fiction, nicht wahr? Aber irgendwie ist mir der Spruch entgangen.«
    »Nichts für ungut, Mr Shaw, aber mir ist schon aufgefallen, dass Sie wie die meisten Menschen eine selektive Wahrnehmung haben.«
    Seine Nackenhaare stellten sich auf. »Was soll das heißen?«
    »Sie sehen und hören, was Ihren Erwartungen entspricht, für den Rest sind Sie blind und taub.«
    Darwin schluckte. Da war sie wieder, die aggressive Journalistin. Er hatte sich für dieses Gespräch jedoch Langmut auferlegt und wollte sich nicht provozieren lassen. Vielleicht konnte er sie aber ein wenig zurechtstutzen, sie ihre Grenzen spüren lassen.
    »Mir ist gerade entfallen, welcher Darsteller diese Weisheit von sich gegeben hat.« Er zeigte wieder zum Rahmen. Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
    »Dr. Bud Chantillas hat das gesagt, der Seniorwissenschaftler an Bord der Mars 1 . Er ist der Älteste in der Crew, gewissermaßen ihre › Seele ‹ . Terence Stamp spielt ihn. Die Worte aus dem Zitat hat er zum › Weltraumklempner ‹ der Mission, Robby Gallagher, gesagt.«
    »Hat den nicht Val Kilmer gemimt?«, fragte Darwin. Er brachte kaum die Zähne auseinander.
    »Sie haben den Film tatsächlich gesehen!«
    Er hatte diese Frau einmal mehr unterschätzt. Höchste Zeit, sich um Schadensbegrenzung zu bemühen. Darwin lächelte versöhnlich. »Anscheinend nicht so aufmerksam wie Sie.«
    »Fanden Sie es nicht beachtlich, dass diese Bemerkung in der Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts gemacht wird, zu einer Zeit, von der wir heute glauben, dass die Wissenschaft längst alle Fragen beantwortet und Gott als argumentativen

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