Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Lückenbüßer überflüssig gemacht hat?«
    Er grinste. »Die Lektion mit dem Ford Modell T habe ich gelernt, Ms Daniels: Konstruktion ersetzt nicht Konstrukteur. In diese Falle tappe ich kein zweites Mal.«
    »Das freut mich. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    »Gern.«
    »Espresso, Capuccino, Latte Macchiato – was hätten Sie gern?«
    »Ganz normaler Kaffee genügt.«
    »Dann kommen Sie bitte erst mal herein.«
    Sie führte ihren Besucher durch eine Tür in einen großzügigen Wohnbereich mit Kamin, hellen Ledermöbeln und weiterem Glas. Dort entschuldigte sie sich für einen Moment und entschwand in Richtung Küche.
    Darwin nutzte die Zeit, um seine Gastgeberin weiter zu studieren. Was hatte sie über ihr Haus gesagt? Es sei ein wenig wie sie: von außen wehrhaft und verschlossen, aber innen hell und transparent. Das war es tatsächlich! Sogar die Treppenstufen, die in den ersten Stock hinauf-, und jene, die in den Keller hinabführten, bestanden aus Glas. Er fragte sich, was ihm dieses klare, kühle Ambiente über seine Bewohnerin erzählten wollte. In gewisser Hinsicht war eine Wohnung wie ein Tatort: Darin wurden Entscheidungen getroffen, die auf Bedürfnisse schließen ließen. Was Darwin hier sah, überraschte ihn.
    Irgendwie hatte er an den Wänden Poster von Greenpeace erwartet. Stattdessen fand er welche von Kunstausstellungen und Repliken altgriechischer Statuen, darunter auch ein kleines Modell eines schlafenden Hermaphroditen, das der in Paris zerstörten Skulptur erstaunlich ähnelte.
    Leicht verstört sank er in einen der Ledersessel und starrte auf die Marmorfigur. Sie stand auf einem gläsernen Tisch neben einer gläsernen Schale mit knallbunten M&Ms und einem Kristallbrocken, in dem sich ein Teelicht befand.
    »Der Hermaphrodit hat Detective Superintendent Longfellow auch ziemlich zu schaffen gemacht«, sagte eine Stimme in seinem Rücken. Er wandte sich um und fuhr gleichzeitig aus dem Sessel hoch.
    Daniels balancierte ein schwarzes japanisches Lacktablett mit einer Tasse und einem Latte-Glas in Richtung Tisch. Sie stellte es neben die Figur und zündete die Kerze mit einem mitgebrachten Streichholz an. Während sie dies tat, sagte sie: »Es ist nicht erforderlich, einen Balztanz vor mir aufzuführen, Mr Shaw.«
    Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, eine Erfahrung, die ihm fremd geworden war.
    »Ich rede von diesem Hochhopsen aus dem Sessel. Bleiben Sie ruhig sitzen. Ich kann es verkraften.«
    Nicht wirklich entspannt ließ er sich wieder in den Sitz sinken.
    Mit einem Wink des Kopfes in Richtung der Figur fügte sie hinzu: »Die Kriminalpolizei hat in meinem Haus das Unterste zuoberst gekehrt. Sie hoffte, irgendwelches Belastungsmaterial zu finden.«
    »Davon habe ich gehört. Aber von dieser Figur hatte Mortimer… ich meine, der Superintendent nichts erwähnt.«
    Daniels nahm sich das Glas mit dem Milchespresso und versank im zweiten Sessel – die hohen Lehnen reichten ihr, Schutzmauern gleich, fast bis zu den Achseln. Darwin glaubte, ihre Augen aufleuchten zu sehen, vielleicht ein Freudenfeuer ihrer Seele, weil er sich gerade als Longfellows Vertrauter zu erkennen gegeben hatte.
    Während sie mit einem langen Löffel ihren Kaffee umrührte, sagte sie bedächtig: »Vielleicht, weil sich das Naheliegende letztlich als Fehlschluss herausgestellt hat. Obwohl… er hat die Plastik mir gegenüber am Ende zwar auch nicht mehr erwähnt, aber vielleicht ist sie der eigentliche Grund, weshalb er immer noch einen Verdacht gegen mich hegt.«
    »Und? Ist sein notorischer Argwohn eine Berufskrankheit, oder gibt es da einen Zusammenhang?«
    »Ich habe mit der Sache im Louvre nichts zu tun«, antwortete die junge Frau gereizt. »Sie werden sich doch bestimmt an unser Gespräch in Holloway erinnern, das über Herm aphrodi tos, meine ich. Der Nachkomme von Hermes und Aphrodite war in der griechischen Antike ein beliebtes Motiv. Meine Miniatur hier ist nicht der Figur im Louvre nachempfunden, sondern einer anderen, die man in den römischen Thermen des Diokletian gefunden hat.«
    »Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Ms Daniels. Das mag ja alles sein, aber finden Sie es wirklich so abwegig, wenn sich ein Ermittler über diese seltsame Häufung von Zwittern seine Gedanken macht? «
    Daniels musterte ihn kühl, länger, als ihm angenehm war, ehe sie erwiderte: »Anscheinend sind Sie so darauf erpicht, mich mit dieser Sache in Verbindung zu bringen, dass Ihnen ein ganz anderer Zusammenhang

Weitere Kostenlose Bücher