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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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»Vielleicht morgen, Sir Richard«,
wiederholte Athelstan. Er schob behutsam einen Arm unter Cranstons
Ellbogen und steuerte ihn. zur Tür. Plötzlich schoß
Sir John herum und starrte unter schweren, halbgeschlossenen Lidern
die Gesellschaft an. Auch Athelstan wandte sich noch einmal um und
sah, wie Sir Richards Hand von Lady Isabellas Schulter glitt. Etwas
im Gesicht des Kaufmannes ließ Athelstan sich fragen, ob die
beiden vielleicht mehr als nur verschwägert waren. War hier
nicht nur Mord, sondern auch Ehebruch im Spiel?
    »Ach, Sir
Richard ...?« rief Cranston.
    »Ja, Sir
John?« »Die Söhne des Dives - wer oder was sind
sie?« Athelstan sah, wie die Gruppe sich plötzlich
straffte. Die Gesichter verloren den hochnäsigen, belustigten
Ausdruck, mit dem sie Cranston betrachtet hatten, als wäre er
ein königlicher Hofnarr und nicht der Untersuchungsrichter des
Königs.       
    »Ich habe Euch
eine Frage gestellt, Sir Richard«, nuschelte Cranston.
»Die Söhne des Dives. Wer sind
sie?« 
    »Ich weiß
nicht, wovon Ihr redet, Sir John. Die böse Wirkung des Weines
vielleicht...?«
    »Der Wein hat
auf mich nicht so viel Wirkung, wie Ihr glaubt, Sir Richard«,
schnappte Cranston. »Ich werde Euch diese Frage noch einmal
stellen.« Er verneigte sich in Richtung der Lady Isabella.
»Gute Nacht!«  
    Cranston machte auf
dem Absatz kehrt und schwankte mit aller Würde, die er
aufbringen konnte, hinaus. Athelstan folgte ihm.
    Kaum hatten sie das
Haus hinter sich gelassen, watschelte Cranston zielstrebig wie eine
Ente, die das Wasser sieht, der freundlichen, halbgeöffneten
Tür einer Schänke in der Cheapside entgegen. Athelstan
blieb stehen und schaute zum sternenhellen Himmel.
    »Oh,
gütiger Gott!« stöhnte er. »Doch nicht schon
wieder eine Erfrischung, Sir John?«
    Dennoch eilte er
hinterher; das Wasser hatte dem Coroner offenbar neue Lebensgeister
geschenkt, und auch Athelstan wollte einen klaren Kopf bekommen und
die Probleme, die ihn plagten, gründlich bedenken. Die
Schänke war beinahe leer. Sir John bemächtigte sich eines
Tisches neben den Weinfässern.
    »Zwei Becher vom
spanischen Weißen!« brüllte er. Und ...?« Er
funkelte Athelstan an.
    »Wein mit
Wasser«, bat der Ordensbruder bescheiden.
    Der Wein verschwand in
Sir Johns unermeßlichem Schlund. Neuer wurde bestellt, und
der Coroner klatschte in die fetten Hände.
    »Eine
ausgezeichnete Arbeit!« dröhnte er und deutete mit einer
Kopfbewegung zum Hause Springall. »Ein ganzes Nest von
hochtrabenden Heuchlern.« Er sah Athelstan mit benebelten
Augen an. »Was meinst du, Mönch?«
    »Bruder«,
korrigierte Athelstan ihn resigniert.
    »Wen schert
das?« blaffte Cranston. »Erstens: Ich frage mich,
weshalb unser guter Lord Fortescue da war. Ich glaube, er ist ein
bißchen später gegangen, als er behauptet.«
Cranston rülpste. »Zweitens: Brampton. Die behaupten, er
hätte die Papiere seines Herrn durchwühlt, und sie haben
einen Beweis dafür; also ist es leicht, sich einen Streit
zwischen ihm und Sir Thomas vorzustellen. Springall mochte sich
hintergangen fühlen, und Brampton war wahrscheinlich
wütend, weil man ihn ertappt hatte, und außerdem
fürchtete er, entlassen zu werden.« Cranston trommelte
mit seinen Wurstfingern auf dem weinfleckigen Tisch. »Aber
wenn Brampton unschuldig war«, lallte er, »warum hat
man ihn dann schuldig wirken lassen? Darauf haben wir noch keine
Antwort.«
    »Und wenn er
schuldig war«, fügte Athelstan hinzu, »wonach hat
er dann gesucht? Was für ein großes Geheimnis
hütete Sir Thomas Springall?«
    Athelstan schaute
durch den Schankraum zu zwei betrunkenen Spielern hinüber, die
einander über einem Würfelspiel knufften und
stießen.
    »Und
trotzdem«, murmelte er, »warum sollte Brampton seinen
Herrn ermorden und sich dann das Leben nehmen? Rache, gefolgt von
Reue?«
    Lautes Schnarchen
beantwortete seine Frage. Cranston saß gegen die Wand gelehnt
und hatte die Augen geschlossen, ein seliges Lächeln lag auf
seinem runden, gutmütigen Gesicht.
    »Wurde Sir
Thomas wegen eines Geheimnisses ermordet?« überlegte
Athelstan. »Oder ist seine Frau eine Ehebrecherin, die mit
dem Bruder ihres Gemahls ein doppeltes Spiel
spielt?«
    Manche Menschen
töten für Gold, dachte er, und andere aus Wollust. Und
Dame Ermengilde? Spielte sie auch eine Rolle in dieser Scharade?
Versuchte sie ihrem Lieblingssohn einen Vorteil zu verschaffen? Und
die beiden anderen - Vechey und Allingham? Zwei seltsame Kreaturen,
die sich

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