Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
davonmachen,
und so schlich er sich durch die Sakristeitür. Natürlich
warteten sie draußen auf ihn, die Männer des Sheriffs.
Sie verprügelten ihn in der Gasse hinter der Sakristei,
fesselten ihm die Hände und führten ihn ab nach
Marshalsea. Wahrscheinlich wird er hängen.«
    »Ja,
Watkin«, wiederholte Athelstan. »Wahrscheinlich wird er
hängen.«
    Davon abgesehen war
alles in Ordnung - nur Bonaventura war verschwunden und nicht mehr
gesehen worden. Athelstan hoffte, daß ihm nichts passiert war
und er mit erhobenem Schwanz zurückkäme und miauend
Fressen und Streicheln fordern würde.
    Der Bruder blickte
auf. Der Himmel war noch blau; die Sonne wurde stärker und
verhieß einen schwülheißen Tag. Er seufzte. Als er
seine Gebete gesprochen und die Messe gelesen hatte, war Benedicta
hereingekommen und gleich am Taufbrunnen niedergekniet, statt durch
das Kirchenschiff nach vorn zu kommen. Athelstan fragte sich, ob
irgend etwas nicht in Ordnung war. Er ging zum Kircheneingang, um
nachzuschauen, ob Watkins Sohn Grim auf der Treppe wartete, aber
die Stufen waren leer. Er ging zurück, nahm eine Hacke, die
innen an seiner Haustür hing, und bearbeitete damit
wütend das Kohlbeet, um die Furchen wieder in Ordnung zu
bringen. Wenn Crim käme, würde er nach Hob, dem
Totengräber, sehen: Es hieß, er liege im Sterben,
nachdem er ausgerutscht und unter einen Karren geraten war, der ihn
überrollt und ihm den Brustkorb eingedrückt
hatte.   
    Athelstan hatte seine
Arbeit satt. Er warf die Hacke hin; hoffentlich hatte wenigstens
das Schwein gut gespeist. Er ging zurück in die Kirche. Dort
sah er sich um, und gleich war ihm wohler. Simon, der Dachdecker,
hatte gute Arbeit geleistet. Das Dach war für den kommenden
Winterregen gerüstet. Der Maler Huddle hatte die Wand
abgekratzt und ein neues Fresko begonnen, sein erstes
Kirchengemälde. Athelstan hatte verlangt, daß Huddle
zuerst ein paar Kohleskizzen machte; anhand derer hatte er dem
begabten jungen Mann ein paar Ratschläge erteilt: Daß
Herodes den Statthalter Pilatus am Ende hinterrücks erstochen
hat, steht nicht in der Bibel! Daraufhin waren die Kohlezeichnungen
abgewaschen worden, und Huddle hatte von neuem begonnen: Ein
wunderbar kraftvolles Gemälde von Verkündigung und Geburt
Christi. Der Kirchenfußboden war gefegt und sauber gewischt
worden - dank Cecily, der Hure, die sich ihre Pennies mit ehrlicher
Arbeit verdient und ihn Zoll für Zoll geschrubbt
hatte.
    »Ehrlich,
Pater«, hatte sie bekannt und sich dabei auf ihren
Reisigbesen gestützt. »Ich habe mich geändert. Und
ich werde mich noch mehr ändern.«
    Athelstan schaute in
ihre kindlichen Augen und fragte sich, ob die Frau vielleicht ein
wenig schlicht war. Er wußte genau, daß er sie auf dem
Kirchhof mit Simon, dem Dachdecker, zwischen den Gräbern hatte
liegen sehen - und der war ein verheirateter Mann und Vater von
drei Kindern.
    »Also,
Pater«, hatte sie geraunt, war nähergekommen und hatte
vielversprechend die Hüften geschwenkt, »kann ich beim
Mummenschanz der Gemeinde zu Fronleichnam die Jungfrau Maria
spielen?«       
    Athelstan hatte sein
Lächeln hinter einer strengen Miene verborgen und versprochen,
die Angelegenheit mit dem Kirchenrat zu erörtern.
    »Watkin, der
Mistsammler«, hatte er gesagt, »nimmt seine Pflichten
als Kirchenaufseher sehr ernst. Er hat seine eigenen Ansichten in
dieser Frage.«
    »Was Watkin
sagt, ist mir egal«, hatte Cecily giftig erwidert. »Ich
könnte Euch eine Menge über Watkin erzählen,
Pater.«
    »Danke,
Cecily«, hatte er gesagt. »Bald sieht die Kirche viel
schöner aus.«
    Cecily putzte weiter.
Athelstan hatte Gewissensbisse. Vielleicht ging er ein
bißchen zu schroff mit ihr um. Cecily war ein braves
Mädchen, das es nur gut meinte. Nichts sprach dagegen, sie die
Jungfrau Maria spielen zu lassen. Das einzige Hindernis war Watkin,
der Mistsammler, dessen beleibte Frau ebenfalls ein Auge auf die
Rolle geworfen hatte. Alles in allem gesehen, entschied Athelstan,
war er zufrieden. Alles war gut, abgesehen von Godric, Bonaventura
- und natürlich dem Ablaßkrämer. Huddle hatte ihm
von dem Halunken erzählt, in grellbunten Gewändern hatte
der sich auf die Kirchentreppe gestellt und sich erboten, jedem
einen Ablaß zu verkaufen, der den Preis bezahlen konnte.
Athelstan schwor, sollte er den Burschen in die Finger bekommen,
würde Cranston einen weiteren Mord aufzuklären
haben.
    Er lehnte sich an den
Lettner, schaute zur reparierten Decke

Weitere Kostenlose Bücher