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Die Galerie der Nachtigallen

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Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Simon
Foreman?«
    »Gehört
habe ich von ihm, aber ich bin ihm noch nicht
begegnet.«
    Athelstan sah die
Angst in Lady Isabellas Augen. Ihr Gesicht verlor seinen goldenen
Schein und wirkte bleich und hager.
    »Sir
Richard?«
    »Nein.«
Der Kaufmann beugte sich vor, und seine Hand fuhr an seine Seite,
wo für gewöhnlich sein Schwert hing. »Ihr kommt in
dieses Haus«, zischte er, »und beleidigt Lady Isabella
und mich, deutet an, wir verkehrten mit Schurken und Vagabunden.
Seid nicht zu schlau, Cranston! Mein Bruder wurde vergiftet. Ich
verwahre mich gegen die in Eurer Frage enthaltene Andeutung, einer
von uns habe den Apotheker aufgesucht und das Gift beschafft, mit
dem dieser Mord ausgeführt wurde.«
    »Aber heute
nachmittag«, antwortete Cranston im Plauderton, »waren
Bruder Athelstan und ich bei diesem Apotheker. Er behauptet, Gift
an eine Frau verkauft zu haben, auf die Eure Beschreibung
paßt, Lady Isabella. Sie trug einen schwarzen, mit
weißem Pelz verbrämten Mantel, hatte kastanienbraunes
Haar und glich Euch in Größe und
Erscheinung.«
    »Ich war noch
nie in Whitefriars, und ich habe noch nie eine Apotheke
aufgesucht!«
    »Aber einen
schwarzen, mit weißem Pelz verbrämten Mantel, den habt
Ihr schon?«
    »Ja, wie
Hunderte von Frauen in der Stadt!«
    »Und Ihr seid
Foreman noch nie begegnet?«
    »Ich weiß
es nicht. Es kann sein. Mein Mann hatte viele seltsame Freunde.
Aber warum sollte ich ihn denn umbringen?« Lady Isabella
erhob sich halb von ihrem Stuhl. »Er war ein guter Mann. Er
hat mir alles gegeben, was eine Frau sich wünschen
kann.«
    »Lady
Isabella«, wandte Cranston geschmeidig ein, »es ist
bekannt, daß Euer Gemahl sonderbare Vorlieben und Eigenarten
hatte. Habt Ihr ihn geliebt?«
    »Das, Sir, ist
genug!« Sir Richard packte Cranston beim Handgelenk, aber der
Coroner schüttelte ihn ab.
    »Nun
reicht’s!« Cranston war wütend über die
Arroganz dieser Leute, die glaubten, sie könnten ihn
herumstoßen, wie es ihnen beliebte. »Ich bin ein
Beamter des Königs, und hier ist die Krone betroffen. In
diesem Fall geht es vielleicht nicht nur um Mord, sondern auch um
Verschwörung und Hochverrat!«
    Sir Richard setzte
sich wieder; er atmete schwer. Lady Isabella legte ihren Arm in den
seinen; sie sah ihn an und schüttelte den Kopf.
    »Mylady«,
sagte Athelstan sanft, »es ist am besten, wenn Ihr die
Wahrheit sagt. Ihr müßt! Euer Gemahl wurde ermordet.
Zwei Menschen hat man brutal hingerichtet. Es kann leicht sein,
daß der Mörder noch einmal zuschlägt. Sir John und
ich irren in London umher und spielen Blindekuh - aber es ist ein
tödliches Spiel. Euer Mann, Lady Isabella, hatte Geheimnisse -
deshalb wurde er ermordet. Brampton sollte den Sündenbock
spielen, aber das Glück und die Umstände haben uns
feststellen lassen, daß er unschuldig war. Auch er wurde
ermordet, aber es sollte wie ein Selbstmord aussehen. Vechey hatte
etwas gesehen oder gehört; deshalb wurde auch er zum Schweigen
gebracht. Und nun, Lady Isabella, bei Eurem Eid auf den neuen
König: Habt Ihr je den Apotheker Simon Foreman
besucht?«
    »Nein!«
    Athelstan starrte sie
an. »Habt Ihr Euren Mann geliebt?«
    »Nein. Er war
ein sanfter, gütiger Mann, aber er hat mich im fleischlichen Sinne
nicht gekannt. Er hatte seine eigenen Vorlieben ...« Ihre
Stimme versagte.
    »Er fand
Gefallen an jungen Männern?« fragte
Athelstan.
    »Er war ein
Sodomit!« bellte Cranston. »Er liebte junge
Männer! Ihn gelüstete nach ihnen!«
    Athelstan sah ihn an
und schüttelte den Kopf. Lady Isabella schlug die Hände
vors Gesicht und schluchzte bitterlich.
    »Mylady«,
drängte er. »Euer Gemahl ...«
    »Er hat mich
alleingelassen. Ich habe nicht gefragt, was er dachte oder
tat.«
    »Und Ihr, Sir
Richard, liebt Ihr Lady Isabella?«
    Der verblüffte
Kaufmann riß sich zusammen. »Ja. Ja, das tue
ich!«
    »Ihr seid ein
Liebespaar?«
    »Ja.«
    »Dann hattet Ihr
beide ein Motiv?«
    »Wofür?« Sir
Richards so aufbrausende Art war dahin. Kraftlos hing er auf seinem
Stuhl und blickte ernst, als hätte er die Todesgefahr erkannt,
in der sie sich befanden.
    »Für einen
Mord, Sir.«
    Der Kaufmann
schüttelte den Kopf. »Ich mag meines Bruders Weib
begehrt haben«, murmelte er, »aber nicht sein
Leben.«
    »Aber vor dem
Oberhofgericht würde es anders aussehen«, versetzte
Cranston. »Es würde so aussehen, Sir Richard, als
hättet Ihr Eures Bruders Weib begehrt und seinen Reichtum. Es würde so
aussehen, als hättet Ihr zu seinen Lebzeiten mit ihr

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