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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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die Ehe
gebrochen und Euch dann mit ihr verschworen, ihn zu ermorden und
Brampton die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
    »Dann«,
antwortete Sir Richard matt, »müßte ich ja auch
für den Tod Vecheys und Bramptons verantwortlich sein. Aber
ich habe Zeugen. Ich war den ganzen Abend mit meinem Bruder beim
Mahl. Ich habe ihm dann eine gute Nacht gewünscht, und die
restliche Zeit war ich bei Lady Isabella. Wir teilten ein
Bett«, gestand er.
    »Und in der
Nacht, als Vechey starb?« fragte Cranston
unvermittelt.
    »Da war es
genauso. Wir haben Diener im Haus. Im Hof sind Handwerker. Alle
werden Euch bestätigen, daß ich hier war, die
Rechnungsbücher führte und draußen die
Holzschnitzarbeiten begutachtete, die für den Prunkwagen zur
Krönung des Königs angefertigt werden.«
    Lady Isabella richtete
sich auf und stützte sich auf die Armlehnen ihres
Stuhles.
    »Wenn wir Sir
Thomas ermordet hätten«, sagte sie, »hätten
wir in seine Kammer eindringen, ihm gewaltsam das Gift in den
Schlund oder wenigstens in den Weinbecher geben, die Kammer
verlassen und die Tür von innen verriegeln und
verschließen müssen. Wie hätten wir das anstellen
sollen? So etwas, Sir, ist unmöglich!« Ihr Blick
richtete sich auf Athelstan und wurde flehentlich. »Ich bitte
Euch, Bruder, glaubt uns doch. Wenn wir zusammen im Bett lagen, wie
hätten wir dahinuntergehen, Brampton packen, ihn auf den
Speicher schleppen und dort aufhängen sollen? Nein. Und ich
war auch nicht in Whitefriars. Ich habe Simon Foreman nicht
besucht. Ich habe kein Gift gekauft. Ich bin unschuldig - zwar
nicht frei von Sünde, wohl aber frei von der Sünde des
Mordes an meinem Mann und anderen. Ich schwöre vor Gott,
daß ich damit nichts zu tun habe.«
    »Ihr schicktet
Wein zu Brampton hinauf?«
    »Ja, als
Friedensangebot.«
    »Und war
Brampton in seiner Kammer?«
    »Nein,
später erfuhr ich, daß er gerade den Rotwein in das
Gemach meines Mannes trug.« Sie wischte sich die Augen.
»Der Diener ließ den Wein in Bramptons Kammer stehen
und kam wieder herunter. Das ist alles; ich schwöre
es.«
    Ihren Tränen zum
Trotz fragte Athelstan sich immer noch, ob der Ehebruch sie auch zu
einer Meuchelmörderin oder vielleicht zur Helferin bei einem
Mord gemacht haben mochte. Der Bruder spürte wachsende
Ungeduld. Wie war Sir Thomas ermordet worden? Und wie war Brampton
aufgehängt worden? Und Vechey? Er spielte mit dem Gedanken,
jeden in diesem Haus minutiös festlegen zu lassen, was er in
der Nacht getan hatte, in der Sir Thomas ums Leben gekommen war,
und auch in der folgenden Nacht, als Vechey verschwand — aber
er sah ein, daß das vergebens war. Zudem gab es keinen echten
Beweis, der die Morde mit irgendeinem der Hausbewohner in
Zusammenhang gebracht hätte. Vielleicht waren sie auf Befehl
eines anderen verübt worden? Aber wer hatte den Befehl
gegeben? Und wie? Und warum?
    Athelstan stand auf,
verließ die Estrade und ging unten auf und ab, die
Fingerspitzen an die Lippen gelegt. Cranston beobachtete ihn
aufmerksam. Der gewitzte Ordensbruder würde ein Faktum gegen
das andere abwägen, und der Coroner war durchaus bereit,
Athelstan den nun errungenen Vorteil nutzen zu lassen.
    »Lady Isabella,
Sir Richard«, begann der Bruder, »ich habe keinen
echten Beweis, der Euch überführen würde. Gleichwohl
haben wir genug Indizien, um einen Haftbefehl ausstellen und Euch
nach Newgate, Marshalsea oder sogar in den Tower bringen zu
lassen.« Er hob die Hand. »Aber uns liegt an Eurer
Zusammenarbeit. Wir wollen die Wahrheit wissen. >Die Söhne
des Dives< ... Ihr gehört ihnen an, nicht wahr, Sir
Richard?«  
    Der Kaufmann
nickte.
    »Jeder hier in
diesem Haushalt gehört ihnen an, nicht wahr?«
    »Ja«, gab
Sir Richard bedrückt zu. »Ja, das stimmt. Die Kirche
verdammt den Wucher und das Verleihen von Geld zu hohen Zinsen. Die
Gilden verdammen es ebenfalls. Aber in jeder Gilde, in jedem
Zunftbetrieb schließen sich Kaufleute zu einer Gesellschaft
zusammen. Sie geben sich seltsame Namen. Unserer ist >Die
Söhne des Dives<. Wir verleihen heimlich Geld an den, der
es braucht, berechnen aber viel höhere Zinsen als die
Lombarden oder die Venezianer. Dafür wird das Cield schnell
ausgezahlt, und die Rückzahlung erstreckt sich über
mehrere Jahre. Wir suchen unsere Kunden sorgfältig aus und
nehmen nur solche, die für ein Darlehen geradestehen
können und für das Geld, das sie aufnehmen, auch gut
sind. Das ist kein großes Geheimnis; unsere Gilde ist voll
solcher

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