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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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persönlicher Bedrohung. Wurden sie verfolgt?
Er warf Athelstan einen raschen Blick zu. Der Bruder hatte recht.
Wer immer die Morde begangen hatte, er hatte sie gut geplant. Wenn
Lady Isabella nicht die Frau war, die den Apotheker besucht hatte,
wer dann? Und die Dirne, die Vechey in den Untergang gelockt hatte?
Und der geheime Giftmischer, der Sir Thomas und Allingham auf dem
Gewissen hatte? Cranston blinzelte
plötzlich.   
    »Du sagst immer
>sie<«, stellte er fest.
»Wieso?«
    »Es muß
mehr als einer sein. Oder es ist jemand, der äußerst
gerissen ist. Eine Zeitlang dachte ich, jemand, der nicht zum
Haushalt gehört, hätte gedungene Mörder,
Berufsverbrecher, benutzt; aber das wäre zu gefährlich
gewesen. Seht Ihr, je mehr Leute man anstellt, um einen Plan
auszuführen, desto größer ist die Gefahr des
Verrats - sei es durch einen Fehler, sei es durch Bestechung oder
auch nur, weil einer der Handlanger auf frischer Tat ertappt
wird.« 
    »Und du hast
niemanden in Verdacht?«
    »Nein. Es
könnte Sir Richard sein, es könnte Lady Isabella sein,
aber auch Buckingham, Pater Crispin, ja, sogar Dame Ermengilde. Wer
weiß? Vielleicht war auch einer der Ermordeten selbst ein
Meuchelmörder ...«
    Sir John trank seinen
Bierkrug aus und ließ ihn dröhnend auf den Tisch
niederfahren. »Weißt du, Athelstan, wenn du mit deiner
verdammten Logik nicht wärest, würde ich das ganze
Geheimnis auf Hexerei zurückführen. Leute, die nachts
umherschleichen, ein Gift, das in einem verschlossenen Zimmer
verabreicht wird. Wie um alles in der Welt können wir das
aufklären?«
    »Wie ich sagte,
Sir John: mit Logik und Beweismaterial, ein wenig Spekulationen und
vielleicht etwas Hilfe von Madame Fortuna. Am Ende werden wir die
Wahrheit begreifen. Ich trauere nicht besonders um die vier, die
gestorben sind. Was mich stört, was mir die Stimmung verdirbt
und mich übellaunig macht, ist der Umstand, daß die
Mörder hier sind, über uns lachen und uns beobachten, wie
wir herumtappen. Aber für diese Freude werden sie bezahlen.
Morden können wir alle, Sir John.« Er stand auf und
klopfte sich die Brotkrümel von der Kutte. »Kain ist in
jedem von uns. Wir verlieren die Geduld, fühlen uns in die
Ecke gedrängt und bedroht, es kann Sache eines Augenblicks
sein. Aber wer Gefallen am Morden findet, der ist nicht von Kain
geleitet, der ist in der Hand des
Satans!«      
    Cranston hatte den
Mund voll mit heißem Fisch und brummte nur zustimmend.
Athelstan merkte, wie das dickflüssige Ale seinen Magen
erreichte; er fühlte sich entspannt, beinahe
schläfrig.
    »Kommt, Sir
John. Oberrichter Fortescue erwartet uns. Und die Gerechtigkeit
wartet, wie Ihr wißt, auf niemanden.«
    Sir John schaute ihn
wütend an, stopfte sich die letzten Bissen in den Mund und
leerte seinen Krug in einem Zug.
    Eilig traten sie
hinaus in die Fleet Street. Sir John wischte sich mit dem
Handrücken über den Mund und rückte seinen
Schwertgürtel zurecht; man werde wiederkommen, sobald es sich
machen lasse, brüllte er durch die Wirtshaustür. Sie
waren die Fleet Street halb hinuntergegangen, als die Stimmung des
Coroners plötzlich umschlug. Jäh blieb er stehen und sah
sich um; mit scharfem Blick musterte er das Gedränge hinter
sich.
    »Was ist, Sir
John?«
    Der Coroner nagte an
der Unterlippe. »Wir werden verfolgt, Bruder Athelstan, und
das gefällt mir nicht.«
    Er schaute sich um und
entdeckte einen Stand mit Krimskrams. Er ging hinüber,
Athelstan sah, wie Geld den Besitzer wechselte, und Cranston kam
mit einem dicken Besenstiel zurück.
    »Hier,
Bruder.«
    Der Ordensbruder
betrachtete überrascht den langen, sorgfältig
geglätteten Eschenprügel.
    »Ich brauche
noch keinen Stock, Sir John.«
    Cranston grinste, und
seine Hände schlossen sich um die Griffe von Dolch und
Breitschwert an seinem Gürtel. »Vielleicht doch,
Athelstan. Gedenke der Worte eures Psalmisten: >Der Teufel geht
umher wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er
verschlingen könnte.‹ Ich glaube, uns ist ein Löwe
oder ein Teufel auf den Fersen. Oder beides!«

Kapitel 8
    Während sie die
Fleet Street hinunterhasteten, fragte Athelstan sich, ob Sir John
vielleicht allzu tief ins Glas geschaut habe. Unvermittelt bogen
sie in die langgezogenen Gärten des Gerichtsbezirks ein, des
Inner Temple, abgeschirmt vor den Blicken Neugieriger. Der
Torwächter kannte Cranston und ließ ihn wortlos ein. Sie
eilten durch den stillen, duftenden Park und die Temple-Treppe
hinunter; unten

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