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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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was du da
gesagt hast, zu diesem Schandkerl mit seinem gemeinen Gesicht. Ich
werde es nicht vergessen.«
    Athelstan trat in
gespielter Empörung einen Schritt zurück. »Sir
John, erinnert Ihr Euch an das alte Sprichwort? >Der Teufel, den
du kennst, ist besser als der Teufel, den du nicht kennst.‹
Außerdem glaube ich, daß die Arbeit mit Euch meine Zeit
im Fegefeuer verkürzen wird.«
    Sir John wandte sich
ab und rülpste, so laut er konnte. »Das, Bruder«,
gab er zurück, »ist die einzige Antwort, die ich darauf
geben werde!«
    Sie gingen durch das
Temple-Tor hinaus in die Gasse, die sie zur Fleet Street und in
eine neue Garküche bringen sollte. Sie sprachen über das
bevorstehende Turnier und die Einladung durch John von Gaunt, als
Cranston plötzlich stehenblieb. Er hatte etwas
gehört - ein Schleifen auf dem Kopfsteinpflaster.
    »Athelstan«,
flüsterte er, »geh nur weiter.« Seine Hand
wanderte zum Schwertgriff. »Aber pack deinen Knüppel und
halte dich bereit ...«
    Sie gingen ein paar
Schritte weiter. Athelstan hörte dicht hinter sich ein
Geräusch und schoß herum; Cranston tat desgleichen. Zwei
Männer standen vor ihnen, der eine groß und maskiert,
der andere ein kleiner, wieseläugiges Individuum mit
schmutzigem Lederwams, Kniehosen und Stiefeln, die schon bessere
Zeiten gesehen hatten. Auf dem Kopf trug er eine flache,
zerdrückte Mütze, die schief saß und keck wirken
sollte. Athelstan schluckte heftig und spürte, wie Panik in
ihm aufwallte. Beide Männer waren bewaffnet; jeder hielt ein
blankes Schwert und einen Dolch in Händen. Am meisten aber
ängstigte ihn ihr absolutes Schweigen und die Art, wie sie ihn
anstarrten, regungslos und ohne zu drohen.
    »Warum verfolgt
ihr uns?« fragte Cranston und schob Athelstan hinter
sich.
    »Wir verfolgen
Euch nicht, Sir«, antwortete der wieseläugige Mann.
»Mein Gefährte und ich gehen nur den gleichen Weg wie
Ihr.«
    »Ich denke, ihr
folgt uns doch«, beharrte Cranston. »Und das schon seit
einer Weile. Ihr seid uns zum Fluß hinunter gefolgt und habt
dort gewartet, bis wir zurückkamen. Ihr habt uns
erwartet.«
    »Ich weiß
nicht, was Ihr da redet.« Der Mann kam näher, Schwert
und Dolch jetzt halb erhoben. »Aber Ihr beleidigt uns, Sir,
und dafür müßt Ihr Euch
entschuldigen.«
    »Ich
entschuldige mich weder bei dir noch bei dem mordlustigen Schurken
an deiner Seite! Ich bin Sir John Cranston, Coroner der
Stadt!« Er zückte sein Schwert und griff hinter sich, um
auch den Dolch zu ziehen. »Aber ihr, meine Herren, seid
Straßenräuber, und das ist ein Verbrechen. Ihr greift
einen Beamten des Königs an, und das ist Hochverrat. Dies hier
ist Bruder Athelstan, ein Mitglied des Ordens der Dominikaner und
ein Priester der heiligen Kirche. Ein Angriff auf ihn bringt euch
die Exkommunikation. Und das, meine Herren, ist das mindeste, was
ihr erwarten könnt. Ich werde jetzt bis drei
zählen», fuhr der Coroner fort, als machte ihm die Sache
großen Spaß, »und wenn ihr dann nicht aus dieser
Gasse verschwunden seid, dahin, wo ihr herkommt, werde ich euch zur
Rechenschaft ziehen! Eins ... zwei ...«
    Weiter kam er nicht.
Die beiden Kerle stürzten mit erhobenen Dolchen und Schwertern
auf ihn. Der Coroner stellte beide Angreifer und fing ihre Klingen
in einen Wirbel von Stahl, als er die seinen zur Verteidigung
behende kreisen ließ. In diesen wenigen Augenblicken erkannte
Athelstan die Tiefe seiner eigenen Überheblichkeit. Er hatte
Sir John immer für einen dicken, genußsüchtigen
Faulpelz gehalten; aber nun, mit Schwert und Dolch in der Hand um
sein Leben kämpfend, erschien ihm der Coroner gelassener, als
er ihn je gesehen hatte. Er bewegte sich mit einer Anmut und
Geschwindigkeit, die Athelstan ebensosehr überraschte wie
seine Gegner. Sir John war ein tüchtiger Schwertfechter; er
bewegte sich nur, wenn es sein mußte, und hielt Schwert und
Dolch in unaufhörlichem Spiel ineinander verschränkt.
Athelstan konnte nur dastehen und mit offenem Mund zuschauen. Der
Coroner lächelte mit halbgeschlossenen Augen, und der
Schweiß rann ihm übers Gesicht. Der Ordensbruder
hätte schwören mögen, daß Sir John ein
Kirchenlied oder eine Melodie vor sich hin summte. Die Gefahr
schien gering zu sein. Wer immer diese Meuchelmörder geschickt
hatte, er hatte den fetten Ritter gründlich unterschätzt.
Sir John focht munter weiter, parierte seitwärts,
rückwärts und vorwärts und spielte mit seinen
Gegnern. Vorsichtig beteiligte sich jetzt auch Athelstan an

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