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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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eine Frage,
Lady Isabella«, sagte er dann. »Ich möchte sie
hier in Gegenwart Eures Haushaltes stellen. Der Reichtum Eures
Gemahls ... hat er ein Testament gemacht?«
    »Ja, es ist
bereits beim Kanzleigericht in Westminster Hall. Warum fragt
Ihr?«
    Athelstan bemerkte,
daß ihre Wangen gerötet waren und Sir Richard unruhig
hin und her wanderte.
    »Wer sind die
Erben?«
    »Sir Richard und
ich.«
    »Ihr bekommt
sein ganzes Vermögen?«
    »Ja,
alles.«
    »Und Ihr, Sir
Richard«, fuhr Cranston fort, »habt nun sicher alle
Memoranden, Dokumente, Haushaltsbücher und Konten Eures
Bruders durchgesehen. Habt Ihr dabei irgend etwas Verdächtiges
gefunden? Vielleicht Darlehen an mächtige Männer, die
nicht zurückgezahlt haben?«
    Sir Richard
lächelte. »Nichts dergleichen. Oh, die mächtigen
Lords haben meinem Bruder Geld geschuldet und schulden es jetzt
mir, aber keiner würde wagen, seinen Verpflichtungen nicht
nachzukommen. Bedenkt, daß sie dies nur einmal tun
könnten. Wer würde ihnen danach noch einmal Geld
leihen?«
    Cranston klopfte sich
auf den Schenkel und grinste.
    »Die Welt der
Finanzen, Sir Richard, ist ein Buch mit sieben Siegeln für
mich - und natürlich auch für unseren Bruder Athelstan
mit seinem Armutsgelübde. Komm, Bruder!« Er stand auf,
und Athelstan folgte ihm hinaus.
    »Wo wollt Ihr
hin?« Sir Richard eilte ihnen nach.
    »Na, zu Master
Bulkeley natürlich. Ich möchte gern wissen, was Master
Allingham im Hof so wichtig fand.«
    Sir Richard
führte sie durch die mit Steinplatten ausgelegte Küche
und die Speisekammer auf den großen Hof, um den das Haus
gebaut war. Hier herrschte emsiges Treiben. Hunde sprangen herum
und scheuchten die Hühner und Gänse auseinander, die im
hartgestampften Boden nach Futter pickten. Stallmeister,
Hufschmiede und Knechte führten Pferde in die Ställe und
heraus und untersuchten Beine, Hufe und Felle nach Verletzungen
oder Mängeln. Ein paar kleine Jungen, Kinder der Bediensteten,
spielten Verstecken hinter Karren, Körben und Strohballen.
Mägde huschten mit Wasserkrügen zu den
Küchentüren hinein, während andere sich im Schatten
die Zeit mit Würfeln und anderen Glücksspielen
vertrieben. Küchenjungen schleppten dampfende, blutrote
Fleischklumpen aus der Küche und warfen sie in große
Fässer mit Pökellake, um sie zu konservieren. Auf der
anderen Seite des Hofes hantierten Zimmerleute geschäftig an
einem mächtigen, bunt verzierten Wagen, dessen vier Seiten
gerade mit Tuch und Schnitzereien verziert wurden. Sir Richard
führte Cranston und Athelstan zu den Arbeitern.
    »Ach,
übrigens, Sir Richard«, sagte Cranston, »die
Syrer, diese wunderschönen Schachfiguren ... was ist
eigentlich aus ihnen geworden?«
    Sir Richard stand da,
wandte das Gesicht der warmen Sonne entgegen und schaute in den
blauen Himmel. »Zu kostbar, um sie offen zur Schau zu
stellen. Master Buckingham hat sie geputzt und in eine Truhe
eingeschlossen. Sie sind in Sicherheit. Warum fragt
Ihr?«
    Cranston hob die
Schultern. »Nur so ...«
    Der Lärm rings um
den Wagen war schrecklich; allenthalben wurde gehämmert und
gesägt und mit Holz hantiert. Die Luft war schwer von
Sägemehl und dem süßlichen Duft frischgeschnittenen
Holzes. Der Prunkwagen, den Springall hier bauen ließ,
würde nur ein kleiner Teil der gewaltigen
Krönungsprozession sein, aber aus der Nähe betrachtet sah
er noch prächtiger aus. Er war groß - ungefähr neun
Fuß hoch. Der Wagen werde, erklärte der Kaufmann, ein
Tableau tragen, welchen den König ehren und zugleich den Glanz
der Goldschmiedezunft widerspiegeln solle, und auf großen
Tafeln ringsum hatten Zimmerer und Holzschnitzer kunstvolle Szenen
geschaffen.   
    »Es sind vier
Tafeln«, sagte Sir Richard. »Eine vorn, eine hinten,
und jeweils eine an den Seiten des Wagens. Dort wird man sie
befestigen, und darüber kommt eine Plattform, auf der das
Tableau steht. Alles muß seine Richtigkeit haben«,
bemerkte er. »Wir wollen nicht, daß irgend etwas der
Gilde Schande oder Unehre bereitet, wenn unser Wagen durch die
Cheapside rollt.« 
    So hatte man keine
Kosten gescheut. Besonders gründlich betrachtete Athelstan
jeden der hölzernen Friese, die die vier letzten Dinge
darstellten: den Tod, das Jüngste Gericht, den Himmel und die
Hölle. Er bewunderte die Vielfalt der Szenen und die Begabung
der Handwerker vor allem in der Abbildung der Hölle. Man sah
den Teufel, wie er die Bösen in den Hades schleppte; jede der
verdammten Seelen wurde von einer

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