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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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es dergleichen
geben?«
    Fortescue schlug die
Augen nieder und befingerte den großen Amethystring an seiner
Hand.
    »Sir John, Ihr
habt Euer Amt von der Krone verliehen bekommen. Man könnte es
Euch nehmen.«
    Cranston erbleichte,
und Athelstan fühlte ein Beben durch den massigen Körper
gehen. Da ergriff er das Wort. »Mylord
Oberrichter?«
    Fortescue machte ein
überraschtes Gesicht, als hätte er erwartet, daß
Athelstan während der ganzen Unterredung den Mund halten
werde.
    »Ja, Bruder? Ihr
habt vielleicht noch etwas hinzuzufügen? Etwas, wovon Sir John
nichts weiß?«
    »Nein,
hinzuzufügen habe ich nichts«, antwortete Athelstan.
»Außer daß Sir John und ich diese Aufgabe mit dem
größten Eifer verfolgen. Wir könnten weitere Fragen
stellen - etwa, Mylord: Was tatet Ihr auf dem Bankett an dem Abend,
als Sir Thomas starb? Ihr habt uns erzählt, Ihr wäret am
frühen Abend gegangen, aber nach Auskunft anderer Zeugen seid
Ihr bis eine Stunde vor Mitternacht geblieben. Es würde uns
weiterhelfen, Mylord«, Athelstan ignorierte den erbosten
Blick des Oberrichters, »wenn jeder die Wahrheit sagen
wollte, denn dann könnten wir künftige Gefahren
meiden.«
    »Tragt Ihr
deshalb diesen Stab, Bruder?« versetzte der Oberrichter, ohne
auf Athelstans Spitze einzugehen. »Ihr fürchtet etwas,
nicht wahr? Was?«
    »Ich
fürchte nichts, Mylord - außer vielleicht, daß
jemand, der nicht weiß, daß wir die Wahrheit ans Licht
bringen, auf eine Weise eingreift, die wir am wenigstens erwarten.
Das würde freilich niemandem helfen.«
    »Soll
heißen?«
    »Das soll
heißen, Mylord«, fuhr Athelstan fort, der sich
allmählich warmredete, »daß Sir John als Coroner
in dieser Stadt bekannt und beliebt ist. Würde er in aller
Öffentlichkeit Überfallen, wären die Leute
empört. Des Königs höchster Sicherheitsbeamter in
der Hauptstadt kann nicht mehr über die Straße gehen!
Und wenn er seines Amtes enthoben würde, hätte das
ebenfalls Neugier zur Folge. Man würde sehr genau wissen
wollen, mit welchem Fall Sir John gerade beschäftigt war, als
er entlassen wurde. Man würde Fragen stellen. Im Unterhaus in
St. Stephen’s Chapel gibt es Ratsherren, die nur allzu
bereitwillig alles als Munition gegen den Regenten benutzen
würden.« Er spreizte die Hände. »Also,
Mylord, ich bitte Euch, überlegt es Euch noch einmal, ehe Ihr
Sir John droht. Vergeßt nicht, diese Sache wurde uns von Euch
übertragen. Wenn Ihr es wünscht, lassen wir sie auf sich
beruhen; andere mögen vielleicht mit mehr Glück in den
Skandalen, Lügen und Täuschungen wühlen und
womöglich die Wahrheit zutage
fördern.« 
    Fortescue holte tief
Luft, um die Wut zu bezwingen, die in ihm tobte. Wie wagte es
dieser Bruder, dieser dominikanische Blankarsch in seiner staubigen
schwarzen Kapuze und den schäbigen Ledersandalen, dazusitzen
und ihm Lehren zu erteilen, ihm, dem Oberrichter des Reiches? Aber
Fortescue war kein Dummkopf. Er wußte, daß Athelstan
die Wahrheit sagte, und so lächelte er fälsch.
    »Richtig,
Bruder«, sagte er. »Aber weit und breit scheint keine
Lösung dieser rätselhaften Angelegenheit in Sicht, und
der Regent drängt auf höchste Eile. Er hat Euch beide
übrigens zu einem Turnier eingeladen, das übermorgen in
Smithfield abgehalten werden soll, und danach, am Abend, zu einem
Bankett im Savoy-Palast. Und warum soll ich’s nicht
unumwunden sagen - Sir Richard Springall und sein ganzer Haushalt
sind ebenfalls geladen. Den Herzog kümmerts nicht, ob Ihr
dabei sein wollt oder nicht - er befiehlt es. Er wünscht alle
Schauspieler in diesem Drama aus nächster Nähe zu sehen.
Ihr werdet dasein?«
    »Selbstverständlich,
Mylord«, antwortete Sir John. »Es ist unsere
Pflicht.« Er grinste seinem Helfer verschlagen zu. »Und
Bruder Athelstan und ich könnten eine Art Erholung recht gut
vertragen, eine kurze Rast nach dem vielen Marschieren durch die
Straßen bei der Arbeit für
Euch.«      
    Nach diesen
Abschiedsworten rülpste Cranston geräuschvoll und
verließ Oberrichter Fortescues Zimmer, Athelstan im
Schlepptau. Sie kehrten zur Ufertreppe zurück. Während
der Fahrt flußaufwärts hockte Cranston mürrisch im
Bug und starrte ins Wasser. Erst als sie die Temple-Treppe erreicht
hatten und ausgestiegen waren, legte er Athelstan seinen rundlichen
Arm um die Schultern und schob sein Gesicht dicht vor das des
Ordensbruders. Sein Atem roch wie eine Weinkelter.
    »Athelstan«, sagte er
mit schwerer Zunge, »ich danke dir für das,

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