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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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»Es kann sein, daß ich die Mörder damit in
die Falle locke.« 
    Sie verließen
das stille Haus; der Diener schloß hinter ihnen ab, und sie
wanderten die menschenleere Cheapside hinunter. Schwarze
Regenwolken jagten jetzt über die Themse heran. Es war dunkel,
und einige Händler hatten die Laternenhörner vor ihren
Türen angezündet; Athelstan sah das Leuchtfeuer im Turm
von St. Mary Le Bow kräftig und hell leuchten. Sie gingen die
Friday Street und die Old Fish Street hinunter und in die Vintry.
Bei Queenshithe Wharf mieteten sie sich ein Boot, das sie über
den aufgewühlten Fluß zum Savoy-Palast bringen sollte.
Von der Uferböschung aus betrachtet, bot John von Gaunts
Residenz einen prachtvollen Anblick - heute abend um so mehr, da
die Festlichkeiten im Gange waren. Die Fenster waren erhellt von
den Flammen Tausender Bienenwachskerzen, und als die beiden sich
dem Haupteingang näherten, hörten sie leise Musik,
Geplauder und heiteres Treiben. Ein stämmiger Marschall trat
ihnen in den Weg und fragte nach ihrem Begehr; widerwillig
ließ er sie in den Innenhof, wo sie von einem Majordomus
empfangen wurden, der sie in die Haupthalle
hinaufführte.
    Athelstan verschlug es
die Sprache ob des prächtigen Schauspiels, das sie erwartete:
Die Halle war riesig und hatte eine hohe Holzdecke, jedes
Stück Holzwerk und Stein war bedeckt mit kostbarsten
Samtbehängen, prachtvollen Fahnen und Wandteppichen in allen
Farben. Zu beiden Seiten der Halle zogen sich langgestreckte Tafeln
hin, mit wertvoller Seide gedeckt. Alle paar Schritte stand ein
mächtiger achtarmiger Kandelaber, ein jeder besteckt mit
Bienenwachskerzen. Oben auf der Empore spielten die Musikanten,
aber mit ihrer Musik mußten sie gegen den Lärm der
Festgäste bei Tisch ankämpfen. 
    Am hinteren Ende auf
der Estrade erblickte Athelstan John von Gaunt. Am selben Tisch
saßen auch der junge König, Oberrichter Fortescue und
ein paar führende Adelige des Reiches. An dem Tisch, der
unterhalb der Estrade parallel dazu stand, thronte Sir Richard
Springall mit rotem Kopf und einem stattlichen Rausch. Neben ihm
saß Lady Isabella; sie hatte den Trauerstaat für diesen
Tag abgelegt und trug ein Kleid aus reinem Gold mit dazu passendem
Schleier. Auch Pater Crispin und Master Buckingham waren da; am
anderen Ende des Tisches hatten Maude und Benedicta ihren Platz,
und zwischen ihnen saß der junge Edelmann, der seine
Absichten schon mittags so unverschämt kundgetan hatte. Lady
Maude spähte durch die Halle; offenbar hielt sie Ausschau nach
ihrem Gemahl. Benedicta schien kühler und gefaßter; sie
lauschte einer Erzählung des Edelmannes; hin und wieder
allerdings rückte sie leicht von ihm ab, als wären ihr
die Aufmerksamkeiten des jungen Galans inzwischen etwas
lästig.
    Der Majordomus wollte
sie ankündigen, aber Athelstan legte ihm eine Hand auf die
Ärmel.
    »Nicht«,
sagte er leise, »nicht jetzt. Das Festessen hat ja schon
angefangen.«
    Sein Blick fiel auf
die Tischdecken, die mit Fett und Wein besudelt waren. Die Platten
waren leer, und Bedienstete brachten Schalen mit Früchten,
Schüsseln mit Sahne, Teller mit dünnem Gebäck,
zuckergefülltem Naschwerk und exquisit zu Burgen,
Schwänen und Pferden geformten Gelees. Bald würde das
Bankett vorüber sein. Athelstan sah Sir John an.
    »Es hat keinen
Sinn, sich noch an den Festlichkeiten zu beteiligen. Am besten
halten wir uns fern von Sir Richard und den anderen Mitgliedern des
Haushalts.«      
    Der Coroner
betrachtete die Weinkrüge mit Sehnsucht und wollte
Einwände erheben.
    »Sir
John«, ermahnte ihn Athelstan, »wir müssen uns um
wichtige Angelegenheiten kümmern.«
    Cranston nickte
seufzend, wandte sich an den Majordomus und bat darum, in eines der
herzoglichen Privatgemächer geführt zu werden. Der Mann
sah ihn mißtrauisch an, aber Cranston blieb
unbeirrt.
    »Doch,
Sir«, wiederholte er, »Ihr werdet uns in eines der
privaten Gemächer des Herzogs hier im Palast führen. Und
dann werdet Ihr Eurem Herrn und dem Oberrichter Fortescue sagen,
daß wir wichtige Dinge zu berichten haben, Dinge, die die Krone
betreffen. Ihr werdet Sir Richard und seinen Haushalt bitten, sich
zu uns zu gesellen, sobald die Festlichkeiten vorbei
sind.«
    Cranston ließ
den Mann seine Botschaft wiederholen, während dieser sie
widerstrebend zur Halle hinaus und eine breite, geräumige
Treppe hinauf zu den Privatgemächern des Herzogs führte.
Athelstan sah sich um und nickte. Ja, das würde genügen.
Ein kleines

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