Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Topflappen benutzte, um den Taza-Kessel von der Feuerstelle zu nehmen. Es war ein großer, allerdings nur spärlich eingerichteter Raum. Eine Schlafmatte lag dicht an der Wand; daneben stand eine Lampe auf einem Tischchen. Neben Jeremiel stand ein winziger, kaum zwei Hand breiter Tisch auf einem rechteckigen, blaugoldenen Teppich.
Rathanial erhob sich und kehrte vorsichtig zum Tisch zurück. In jeder Hand trug er eine Tasse, die mit der dampfenden Flüssigkeit gefüllt war. Seine khakifarbene Robe schwang bei jeder Bewegung.
Als der alte Mann die Tassen abstellte und auf dem anderen Stuhl Platz nahm, sah Jeremiel den Schimmer von Schweiß auf seiner Stirn.
»Kommen wir zum Geschäft, Rathanial. Wir können sie nicht brauchen.«
»Oh, aber wir müssen. Verstehst du nicht? Ohne Rachel im Palast werden Tausende ihr Leben verlieren.«
Jeremiel strich sich nachdenklich den Bart. War dieser ältliche Vater mit Senilität geschlagen? »Nach der Erscheinung des ›Lauschers‹ ist dir doch sicher klar geworden, daß unsere Schlachtpläne jetzt bekannt sind. Rachel unter diesen Umständen auszuschicken hieße, sie den Löwen zum Fraß vorzuwerfen.«
Rathanial stützte die Ellbogen auf den Tisch, schlürfte an seinem Taza und runzelte die Stirn. »Wir wissen nicht genau, wieviel der Lauscher von unserem Gespräch gehört hat. Wir haben ihn erst zum Schluß entdeckt. Vielleicht hat er überhaupt nichts gehört.«
»Sei nicht albern. Das können wir nicht riskieren.«
»Welche andere Wahl bleibt uns denn?«
»Wir haben noch hunderte von Möglichkeiten«, erklärte Jeremiel ungehalten. »Wir können unsere Pläne überarbeiten und dabei die Notwendigkeit umgehen, jemanden im Palast unterzubringen. Wir können …«
»Nein, wir können nicht!« rief der alte Mann mit überraschender Heftigkeit. Die Tasse zitterte in seiner Hand. Er lehnte sich mit funkelnden Augen über den Tisch. »Sie ist unsere größte Hoffnung. Verstehst du das nicht? Selbst wenn der Lauscher unseren Plan enthüllt, empfindet Adom immer noch tiefe Gefühle für sie. Er würde sie nicht töten! Und sie muß nur für ein paar Wochen …«
»Du hast den Verstand verloren. Er wird ihr bei der ersten Gelegenheit die Kehle aufschlitzen.«
»Wir wissen nicht, was der Lauscher gehört hat! Und selbst wenn er über alles informiert ist, wissen wir noch immer nicht, ob das tatsächlich eine Gefahr bedeutet. Wir haben noch nie erlebt, daß unsere Pläne aufgeflogen wären, nachdem einer von ihnen unsere Gespräche mitgehört hat.«
»Das spielt keine Rolle. Wir können nicht …«
»Warte!« bat Rathanial. Er stellte seine Tasse unsicher ab und preßte beide Hände gegen den Kopf, als wollte er die wirbelnden Gedanken bremsen. »Laß uns das in aller Ruhe durchsprechen. Unsere Gefühle bringen uns nur vom Thema ab.«
Deine Gefühle behindern dich. Mit meinen werde ich schon fertig. »Ich höre.«
»Wir haben drei Jahre lang herauszufinden versucht, was diese schattenhaften Gestalten eigentlich sind. Eine Zeitlang schien jedesmal einer zugegen zu sein, wenn wir ein ernsthaftes Gespräch führten, doch jetzt tauchen sie nur noch sporadisch auf. Vielleicht existieren sie nicht einmal wirklich.« Er blickte Jeremiel eindringlich an. »Zadok meinte, sie befänden sich vielleicht in einem anderen Universum und würden nur durch eine Art ’Tor’ zu uns hereinschauen, wobei die Schatten das einzige sichtbare Zeichen für das Öffnen der Tür wären.«
»Du meinst, so etwas wie das Mea?«
»Zadok hat es nicht ausdrücklich gesagt, aber ich nehme an, genau das meinte er. Immerhin liegen die Parallelen auf der Hand.«
»Ja. Wahrscheinlich ist das möglich. Doch weshalb sollte ein anderes Universum an unseren Problemen interessiert sein?«
»Ich weiß es nicht. Es sei denn … nun ja, vielleicht hat das, was hier geschieht, Auswirkungen auf die gesamte Schöpfung. Wenn Adom wahrhaftig der …« Er hielt inne und spielte nervös mit der Tasse, während er Jeremiel ansah. »Nun, wie auch immer, vielleicht sind Mächte im Spiel, die wir nicht begreifen können.«
»Falls uns tatsächlich eines oder mehrere Wesen aus einem anderen Universum beobachten, hast du sicher recht. Doch eine derartige Spekulation hilft uns auch nicht weiter, als wenn wir unterstellen, daß die Lauscher Werkzeuge des Mashiah sind. Und wir sollten auf jeden Fall von der schlimmsten Möglichkeit ausgehen, da wir andernfalls unsere Köpfe selbst in die Schlinge stecken.«
»Das ist mir
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