Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
auch vorhin getan hatte.
Verdammt, hör auf damit! Dort draußen gibt es keinen Hinterhalt. Rathanial ist vertrauenswürdig!
Genau wie Dannon.
Sein Atem stockte. Vielleicht hatte Rathanial Harper auch gar nichts erzählt? Das war schließlich nur eine reine Vermutung seinerseits. Möglicherweise hatte der Mann es ja auf andere Weise herausgefunden. Abhörgeräte ließen sich bekanntlich praktisch überall anbringen. War er ein Spion?
Und für wen? Für den Mashiah? Das schien die naheliegendste Möglichkeit zu sein, doch auch die Magistraten konnte man nicht von vornherein ausklammern. O Herr, was ist, wenn der Mann für Tahn arbeitet? Doch warum sollte ein Spion ausgerechnet einem kleinen Mädchen geheime Informationen mitteilen? Weil er nicht erwartet hatte, daß sie Jeremiel noch einmal begegnen würde? Lächerlich.
Oder … konnte Harper vermutet haben, daß Sybil ihn noch einmal besuchen würde? Hatte er die Bemerkung absichtlich fallen gelassen? Als Warnung? Als Hinweis, daß es ein Leck gab und er verdammt vorsichtig sein sollte?
Diese letzte Möglichkeit war jene, die ihn am meisten erschreckte. Hatten die »Lauscher« Harper und damit in letzter Konsequenz auch den Mashiah informiert? Er hatte einen Monat gewartet, bis er Rachel losschickte, und in dieser Zeit Seir unausgesetzt überwacht. Tartarus hatte nichts unternommen. Rein gar nichts! Deshalb hatte er auch Rathanials inständigen Bitten nachgegeben und Rachel gehen lassen.
Vielleicht habe ich damit ihr Todesurteil unterzeichnet.
Wäre sie nicht bereits im Palast des Mashiah, würde er die ganze Aktion jetzt einfach abblasen. Natürlich könnte er eine Nachricht an seine Truppen schicken, den Palast zu stürmen und sie herauszuholen. Sicher, in vielleicht sechs Monaten – und wie sollten sie Rachel den Wüstenvätern lebend entreißen?
Er rieb sich müde die Stirn. Das Netz, in dem er sich gefangen hatte, war zu eng gewoben. Hatte jemand bemerkt, daß seine Gefühle für Rachel von Tag zu Tag wuchsen? Daß ihre Wärme, ihre Intelligenz und ihre Unabhängigkeit ihn an Syene erinnerten? Und daß er sie in der Höhle des Löwen nicht allein lassen wollte und konnte?
Die in fünfzehn Kriegsjahren erworbenen Instinkte wühlten derart heftig in seinen Eingeweiden, daß er schließlich aufstehen mußte. Er befreite sich aus Sybils schläfriger Umarmung, schlüpfte aus dem Bett und steckte die Decken um sie herum fest. Sie schlief geräuschvoll mit offenem Mund, und ihre dunklen Locken breiteten sich auf seinem Kopfkissen aus. Er lächelte und streichelte ihr sanft den Arm. »Mach dir keine Sorgen«, flüsterte er. »Ich hole uns schon hier heraus.«
Er zog sich rasch an, ließ aber die Pistole auf dem Tisch neben dem Kamin liegen. Es wäre wenig sinnvoll gewesen, seine Lieblingswaffe beschlagnahmen zu lassen. Er runzelte plötzlich die Stirn, nahm die Waffe auf und spürte, wie sie beinahe mit seiner Hand verschmolz.
»Vielleicht sehe ich dich ja so oder so nicht mehr wieder«, murmelte er. Zögernd legte er die Waffe zurück und stopfte ein paar Kleidungsstücke in seinen Rucksack.
Dann schrieb er Sybil rasch eine Nachricht, ermahnte sie, sich keine Sorgen zu machen, und lehnte den Zettel so gegen das Bein des Nachttischs, daß sie ihn sehen mußte, sobald sie erwachte.
Schließlich verließ er leise den Raum und schlüpfte hinaus in die Dunkelheit des Tunnels. Er hielt seine kleine Lampe in Hüfthöhe vor sich hin und erleuchtete so seinen Weg durch die gewundenen Korridore, die zur Stadt führten.
KAPITEL
25
Cole Tahn lehnte sich in seinem Kommandosessel zurück, während er die Aktivitäten auf der Brücke beobachtete. Es war ein ovaler, in zwei Ebenen unterteilter Raum. Neun Leute arbeiteten an den Monitoren und Konsolen, von denen aus die Hoyer gesteuert wurde. Tahns Platz mit seiner Vielzahl von Knöpfen und Computerterminals nahm die obere Ebene in Beschlag und gewährte ihm einen ausgezeichneten Überblick auf die gesamte Brücke. Auf der unteren Ebene saßen die Offiziere jeweils paarweise in vier Nischen, die rings um das Oval angeordnet waren. Er schaute nach oben zu dem dreihundertsechzig-Grad-Schirm, der den Status aller wichtigen Abteilungen des Schiffs detailliert wiedergab. Mit einem Blick konnte er den Energieverbrauch und die Lebensmittelreserven prüfen, die Produktion virtueller Teilchen rings um die primordialen Schwarzen Löcher in den Maschinen überwachen, die Ausrichtung der Photonenwerfer verifizieren,
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