Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
freundschaftlich miteinander umgegangen.«
»Das überrascht mich. Ich bin sicher, daß er dafür gewettet hat.«
»Für was?«
Anapiel lachte leise und lehnte sich gegen die schimmernde Mauer. »Kümmere dich nicht darum. Es genügt zu sagen, daß Michael recht sentimental ist. Er hegt noch immer Loyalitäten, die er schon vor Millennien hätte aufgeben müssen.«
Zadok runzelte die Stirn. Loyalitäten gegenüber wem? Die Zweifel kehrten zurück, die ihn beschlichen hatten, als er vor Michael stand. Doch nicht für Aktariel? Alle alten Schriften berichteten davon, daß die verderbte Kreatur einst der Auserwählte Epagaels gewesen war und alle anderen Engel angeführt hatte. Aber Michael wußte doch bestimmt, daß Aktariel seit seinem Himmelssturz böse geworden war. Genau wie das Reshimu.
»Anapiel«, sagte Zadok, während er sich zum offenen Tor schleppte, »bitte verzeih mir, aber ich muß unbedingt mit Epagael sprechen.«
Anapiel stellte sich vor Zadok und versperrte ihm den Weg. »Noch nicht, Patriarch. Epagael hat gesagt, er würde es mich wissen lassen, wenn er bereit ist, dich zu empfangen.«
»Er hat mich noch nie warten lassen. Weshalb diese Verzögerung?«
»Oh, eine letzte Kriegslist Aktariels«, erwiderte der Engel gleichmütig, doch seine bernsteinfarbenen Augen flammten. »Du darfst dich ruhig setzen, Zadok. Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird. Aber glaube mir – wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich dich sogar noch zur Eile antreiben. Ich habe nämlich dagegen gewettet.«
Cole Tahn stürmte durch den weißen Gang, ohne die Ehrenbezeugungen der Crewmitglieder zu erwidern. Er drückte den Fahrtknopf des Aufzugs und befahl: »Brücke«. Zum ersten Mal seit Wochen hatte er ruhig und fest geschlafen, als Halloways drängende Alarmmeldung ihn aufscheuchte. »Diese gottverdammten Gamanten! Was haben sie jetzt schon wieder angestellt?«
Er rannte durch die Tür und lief mitten in ein holographisches Display hinein. Die Oberfläche von Horeb breitete sich als durchsichtiges Bild, hinter dem die Offiziere gut zu erkennen waren, über die Brücke aus. Ein massiver Gebirgszug aus Sandstein, öde Wüstenflächen, Häuser, alles war hervorragend zu sehen.
»Erläutern Sie die Lage, Lieutenant«, befahl Tahn, während er den Blick über die Projektion schweifen ließ.
Halloway sprang auf und ging zu dem hügeligen Gelände außerhalb Seirs hinüber. »Hier ist es, Sir. Obgleich der Platz getarnt ist, können Sie die Geschützstellungen erkennen. Und die Männer, die hier und da aus dem Boden kommen, sind zweifellos Soldaten. Sie …«
»Verdammt!« fluchte Tahn ungläubig. »Haben die den Verstand verloren?« Er ging zu Halloway hinüber und betrachtete das fragliche Gebiet genauer. Das Display konnte eine Ameise aus fünfhundert Meilen Höhe aufspüren und den unsichtbaren Weg zu ihrem Loch ausfindig machen. Wieso waren ihnen die Vorbereitungen dieser Aktionen entgangen? »Ja, das sind definitiv Truppen.« Jeder der Soldaten trug ein Gewehr und eine Pistole. Die Bündel auf ihren Rücken legten die Vermutung nahe, daß ihr Vorhaben sie für mehrere Tage, möglicherweise sogar eine Woche von ihren Nachschubbasen abschneiden würde. »Diese Narren. Wissen sie nicht, daß ein Krieg mich zum Eingreifen zwingt?«
»Ich rate Ihnen dringend, sie nochmals darauf hinzuweisen, Sir.«
Er wirbelte herum. »Verbinden Sie mich mit diesem verdammten Ratsherrn, Macey!«
»Captain«, sagte Halloway, »Sie sollten auch wissen, daß der Mashiah und eine unbekannte Frau Seir vor vier Stunden verlassen haben. Ihr Schiff ist in der Polarregion gelandet, kurz bevor ich Sie gestört habe.«
»Gestört? Sie haben mich aus dem ersten angenehmen Traum gerissen, den ich seit Wochen hatte.«
»Angenehm?« murmelte sie. »Dann vermute ich, er hatte nichts mit gamantischer Politik zu tun?«
»Nicht im entferntesten.« Er ließ sich in seinen Kommandosessel fallen. »Gibt es irgendeinen Grund, weshalb der Mashiah es vorgezogen hat, die Stadt ausgerechnet in diesem Moment zu verlassen?«
»Wir können lediglich vermuten, daß er vor dem bevorstehenden Kampf geflohen ist.«
»Aha. Na schön. Schalten Sie das Holo ab, Halloway, und hängen Sie sich ans Interkom. Dannon kennt Baruchs strategische Methoden. Schaffen Sie ihn her. Wenn diese ganze ›Feilscherei‹ nur ein Trick war, um Baruch die Zeit zu verschaffen, eine Revolte zu organisieren, werde ich …«
»Sir«, unterbrach ihn Macey. Die goldene
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