Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
Vom Netzwerk:
Einbildungskraft, du alter Narr?«
    Er lehnte seinen kahlen Kopf gegen die körnige Wand und betrachtete lange die zimtfarbene Decke. Innerlich fühlte er sich genauso hohl und kalt wie diese Höhle. »Denk nach! Das Volk erwartet von dir, daß du nachdenkst.«
    Seine Gedanken wandten sich in dem Versuch, scheinbar Unvereinbares miteinander in Beziehung zu setzen, der Vergangenheit zu. Die Gamanten hatten stets in Schwierigkeiten gesteckt. Die Legenden behaupteten, ihre Begabung, sich Feinde zu machen, reiche bis zur alten Erde zurück, wo ihre fernen Vorfahren die alten Gebräuche geschützt hatten, indem sie sich verbargen und jeden töteten, der drohte, sie zu verraten. Die Geheimsekte, die aufgrund dieses Verhaltens entstanden war, gelangte in Abessinien und Shoa, dem Hochland von Äthiopien, zu einer gewissen Blüte. Doch mit der Sicherheit der Sekte war es vorbei gewesen, als die Erde die erste außerirdische Invasion erlebte. Die giclasianischen Militärgouverneure hatten alle »mystischen Kulte«, wie sie sie nannten, verboten, da sie argwöhnten, bei den Gottesdiensten handle es sich in Wirklichkeit um geheime Treffen von Widerstandsgruppen. Zudem wurden die Menschen umgesiedelt und unterschiedliche Kulturen und Religionen miteinander vermischt, um Konflikte zu fördern und Bündnisse zu erschweren. Dann zwang man die Bevölkerung, die eigenen Bodenschätze auszubeuten. Ein Teil der Erdbewohner wurde auf andere Planeten gebracht, ihre Familien mutwillig auseinandergerissen. Krieg folgte auf Krieg, und schließlich kam es zur Großen Kristallnacht. Die Gamanten fingen an, die alten Lehren zu vergessen. Langsam, aber sicher verwässerten andere Philosophien den ursprünglichen Glauben – oder bereicherten ihn, je nachdem, welche Sichtweise man bevorzugte. Tausend Jahre später, als Edom Middoth die Erde überfiel, um sein Heer von Sklaven zu vergrößern, wurden die alten Gebräuche durch das Exil endgültig ausgelöscht. Nach Jekutiels Sieg zerstreute sich das Volk und siedelte auf fernen Planeten. Die einzelnen Gruppen besaßen unterschiedliche Erinnerungen an Mythen, Legenden und Rituale, die zudem oft nur unvollständig überliefert worden waren. In ihrem Bestreben, ihre ursprüngliche Identität wieder herzustellen, suchten sie überall und übernahmen dabei auch fremde Traditionen, sofern sie ihnen nur einigermaßen vertraut erschienen. Heute wußte niemand mehr, in welchem Maß die derzeitigen Rituale den noch ursprünglichen glichen. Zadok störte das nicht. Die gamantische Kultur mochte sich verändert haben – aber sie hatte überlebt.
    Seine Gedanken wanderten weiter, verharrten wahllos mal hier, mal dort, bis er schließlich den Faden verlor. Vielleicht war er zu erschöpft, um heute abend noch länger über diese Sache nachzudenken. Doch wieviel Zeit blieb ihm? Er schüttelte müde den Kopf und ließ das Kinn auf die Brust sinken.
    So saß er bis tief in die Nacht in der Höhle, den Blick starr auf den Boden gerichtet.

 
KAPITEL

6
     
     
    Jeremiel duckte sich in das nasse Gras unter einer hoch aufragenden Kiefer. Der eisige Wind drang durch seine Kleidung. Er beobachtete, wie das blaßblaue Licht des Morgens die Tautropfen färbte, die rings um ihn in den Büschen glitzerten, und richtete dann den Blick auf die vor ihm liegenden Höhlen.
    Die richtigen Höhlen? Er zog eine Karte aus der Tasche, überprüfte die Eintragungen und verglich sie mit der Umgebung, wobei er seine eigene Position zu bestimmen versuchte, so gut es in diesem Gewirr aus Bäumen und Felsspitzen möglich war. Das hier mußten Zadoks Höhlen sein.
    Doch ganz sicher war er sich seiner Sache nicht, und einfach in ein unbekanntes Lager hinein zu marschieren wäre selbstmörderisch. Er stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ sich in das feuchte Gras sinken, um nachzudenken. Der scharfe Duft der nassen Bäume kitzelte seine Nase, und er atmete gierig ein.
    »Ich muß ganz in der Nähe sein.«
    Rudy hatte ihn einen Dreitagesmarsch von den Höhlen entfernt abgesetzt, was hoffentlich weit genug weg war, um keinen Verdacht zu erregen, selbst wenn jemand seine Landung mit dem Jetpack gesehen haben sollte. Doch diese Entfernung machte es schwer, der Karte zu folgen. Kayan starrte nur so von tiefen Schluchten, hohen Hügelkämmen, ausgedehnten Wäldern und dichtem Unterholz, und während des letzten Tages war es ihm beinahe so vorgekommen, als würden die Berge ihn einem Intelligenztest unterziehen.
    Eine Bewegung erregte seine

Weitere Kostenlose Bücher