Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
jahrhundertelang hin, doch schließlich hatten die Gamanten auf der Ebene von Lysomia gesiegt – und waren praktisch aus der Union hinausgeworfen worden. Obwohl der Vertrag festhielt, daß die Gamanten auch weiterhin »Bürger der Galaxis« und somit in bestimmten Belangen den Gesetzen der Regierung unterworfen waren, überließ man sie weitgehend sich selbst. Oder isolierte sie hoffnungslos, je nach Standpunkt. Handelswege wurden unterbrochen, Geschäftspartner eingeschüchtert oder mental »korrigiert«, bis die gamantischen Planeten schließlich zu einsamen Inseln inmitten der Union wurden. Die Situation hatte sich in jüngster Zeit verschärft, nachdem die Regierung ihr Recht wahrnahm, »friedliche« militärische Stützpunkte auf gamantischen Planeten einzurichten und überdies Vereinbarungen anzustreben, die es ihr erlaubten, gamantische Kinder zu »unterrichten«.
Jeder wußte, was in diesen Schulen geschah. Die Magistraten hatten ein Programm gestartet, bei dem die Zerstörung der gamantischen Kultur schon in den Gehirnen der Menschen begann. Und die Militärbasen sollten diesen Prozeß absichern, falls sich Widerstand regte.
Jeremiel veränderte seine Position und beugte sich vor, um die Wachen zu beobachten, die die Eingangstüren verlassen hatten, um sich auf dem Landefeld zu sammeln. »Verdammt, wenn wir doch nur ihre zentrale Basis vernichten könnten.«
Palaia Station war der Schlüssel. Sie war eingerichtet worden, um die Mitglieder der Regierung und die Energiereserven zu schützen, doch noch nie war es einem Außenseiter gelungen, den Schleier zu lüften, der ihre Geheimnisse verbarg. Eine schier endlose Reihe elektromagnetischer Schilde schützte die Station und verwandelte sie in eine undurchdringliche Festung. Jeremiel hatte oft genug versucht, dort einzudringen, doch stets ohne Erfolg. Der Mann, dem es gelang, Palaias Geheimnis zu ergründen, würde die Galaxis beherrschen.
Jeremiel erhob sich und wagte sich bis an den Rand des Waldes vor, wobei er weiterhin argwöhnisch den Raumhafen beobachtete. Seine Haut kribbelte angesichts der Gefahr.
»Verdammt«, verfluchte er sich selbst. Er verspürte das überwältigende Verlangen, selbst den Hafen zu betreten und Zadok dort herauszuholen.
»Jetzt benimm dich nicht wie ein Narr. Das wäre viel zu riskant. Wahrscheinlich trifft sich Zadok dort nur mit jemandem und ist gleich wieder draußen.«
Mit einem unguten Gefühl verbarg er sich im dichten Gebüsch neben einem Mahagonibaum und wartete. Sein Blick ruhte starr auf der Eingangstür.
Yosef Calas rückte seine runde Brille zurecht und drängte sich dicht an das Bullauge, um die smaragdgrüne Welt dort unten zu betrachten. Der keilförmige Kontinent Taxo leuchtete opalisierend inmitten der ihn umgebenden Nebelbänke. Als das Schiff tiefer herabsank, erzeugte der sich ändernde Winkel der Sonnenstrahlen sämtliche Farben des Regenbogens. Tiefe grüne Täler und gezackte Granitgipfel tauchten vor ihnen auf, als sie näher kamen.
»Ari? Komm her und schau dir das an. Es ist wirklich schön.«
Sein Freund rührte sich nicht aus seinem Sessel. »Für mich sehen sie alle gleich aus. Planeten sind Planeten. Riesige Kugeln aus Staub.«
Yosef zog ein finsteres Gesicht. Ari hatte die langen Beine auf das Kontrollpult des kleinen Schiffs gelegt und trank ein Bier. Er war ein außergewöhnlich großer, alter Mann mit dickem grauem Haar, das ihm als verfilztes, ungekämmtes Gestrüpp über die Ohren fiel. In seinem faltigen, hohlwangigen Gesicht fiel die gebrochene Nase auf – ein deutliches Zeichen, daß er in der Ginbrennerei einen Streit zuviel vom Zaun gebrochen hatte. Yosef fragte sich mitunter, ob die einzelnen Teile des dünnen Körpers seines Freundes tatsächlich mit dem Kopf verbunden waren.
»Du Traumtänzer«, rief Yosef ungehalten. Er schlenderte zu Ari hinüber und schob dessen Stiefel unsanft von der weißen Konsole. »Wie oft muß der Captain dir noch sagen, daß du uns damit alle in die Luft jagen kannst?«
»Er kümmert sich doch gar nicht mehr darum!« meinte Ari und deutete auf den Mann mittleren Alters im grauen Raumanzug, der das Helmvisier geschlossen hatte und dessen Hand verdächtig nahe beim Auslöser des Schleudersitzes lag.
»Na klar, und deine Mutter weiß auch genau, wer dein Vater war. Der arme Mann ist es nur leid, dich ständig zu ermahnen, du einfältiger …«
»Bah!« Ari grinste ihn breit an. »He, komm mal her. Willst du wissen, wofür dieser Schalter ist?«
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