Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb
selbst wegzulaufen.
Sie eilte unter die Dusche und blieb zwanzig Minuten unter dem heißen Wasserstrahl stehen. Als sie wieder herauskam, fühlte sie sich etwas besser.
Daheim zu sein, erfüllte sie mit einem Gefühl der Wärme und Sicherheit. Im Grunde war das Schiff immer ihr einziger Geliebter gewesen, ihr Gefährte in guten wie in schlechten Tagen.
Amirah ging zum Bett, legte sich hinein und zog die Decke bis zum Hals. Sie versuchte zu schlafen, doch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu dem Gespräch an Bord des Jägers zurück. Was hatte Baruch gemeint, als er erwähnte, nach Palaia zu gehen? Was konnten zwei Männer dort schon ausrichten, an einem derart gesicherten Ort? Nicht einmal, wenn sie frei wären, hätten sie eine Chance, dort einzudringen.
Nachdem sie sich zwei Stunden ruhelos im Bett herumgewälzt hatte, stand sie auf, ging zum Druckanzug und holte das Blatt heraus, das Tahn ihr zugesteckt hatte. Stirnrunzelnd betrachtete sie die Liste. Sie hatte mit fünf oder sechs Einträgen gerechnet, aber nicht mit siebenundsiebzig.
Sie setzte sich vor das Terminal, stellte die Verbindung zum Zentralcomputer auf Palaia her und forderte die erste der Aufzeichnungen an. Nach kurzer Zeit leuchtete ein Schriftzug auf. Akte unter Verschluß. Bitte Autorisierungscode eingeben.
»Was?« fragte sie ungläubig.
Wieso wurde für derartige Unterlagen eine Klassifizierung verlangt, wie sie nur einem Captain zugeteilt wurde? Sie schlug mit der Faust auf den Tisch und gab dann die entsprechende Sequenz ein. Sicherheitshalber ließ sie dann gleich sämtliche aufgelisteten Dateien in die Speicherbänke der Sargonid überspielen.
Als alles erledigt war, verharrten ihre Finger zögernd über der Tastatur. Doch schließlich forderte sie alle verfügbaren Daten über Captain Amirah Malkenu Jossel an. Ihre Hände zitterten, als sie die Datenflut sah. Wußten sie wirklich soviel über sie? Die Unterlagen mußten mehr als vierhundert Seiten umfassen.
Amirah holte sich die Decke vom Bett, legte sie um die Schultern und überlegte, welche Akten sie sich zuerst vornehmen sollte.
»Wenn sie nicht hier sind«, fragte Rudy mit zusammengebissenen Zähnen, »wo sind sie dann?« Er umklammerte sein verletztes Bein, als er über die Brücke der Orphica zum Navigationspult humpelte.
Die anderen Brückenoffiziere warfen ihm besorgte Blicke zu.
Merle stützte sich auf die Lehne des Kommandantensessels und betrachtete des Bild auf dem Frontschirm. Zwei Dutzend Sternensegler und eine Reihe von Frachtern waren inzwischen aufgetaucht, jedoch kein Kreuzer. »Wenn sie nicht hier sind, dann auf Palaia.«
Rudy beugte sich über die Konsole und schüttelte den Kopf. »Was, zum Teufel, sollen wir jetzt machen, Merle? Wenn die Magistraten auf Horeb einen Hinterhalt legen konnten, durfte Jeremiel und Cole auf Palaia das gleiche erwarten. Selbst wenn es ihnen gelungen sein sollte, die Sargonid zu …«
Merle riß die Hand hoch, um ihn zu unterbrechen. Rudy schaute zum Schirm hinüber, wo gerade zwei Kreuzer auftauchten.
»Unsere, Kopal?«
Rudy warf einen Blick auf die Anzeigen auf seinem Pult. »Ja«, seufzte er erleichtert, »die Zilpah und die Hammadi.«
Merle ließ sich zurücksinken. »Rudy, wir müssen sofort feststellen, in welchem Zustand sie sich befinden. Wenn beide einsatzbereit sind, können wir die Flüchtlinge mit einem einzigen Schiff nach Shyr bringen. Und dann …«
»Ja!« rief Rudy. »Mit zwei Kreuzern und den übrigen Schiffen können wir schon einiges ausrichten. Also los!«
KAPITEL 44
Jason betrachtete sich prüfend im Spiegel, strich die Uniform glatt, kämmte sich durchs Haar, nahm den ›vertraulichen‹ Funkspruch, die Bücher und die Halskette, die sie den gamantischen Gefangenen abgenommen hatten, und machte sich auf den Weg zu Amirahs Kabine.
Als er dort ankam, zögerte er kurz. Sie hatte ihn erst einmal in ihre Kabine eingeladen, und das hatte sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Doch andererseits hatte er diesen Moment ja herbeigesehnt – eine Chance, endlich mit ihr allein zu sein.
Er drückte auf den Türmelder und rief: »Amirah? Hier ist Jason.«
»Kommen Sie herein.«
Die Tür glitt zur Seite, und Jason trat ein. Öllampen erhellten das Zimmer und verbreiteten den Duft von regennassen Wäldern. Amirah stand über den Computer gebeugt. In der Hand hielt sie ein halbleeres Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
Als sie sich zu ihm umdrehte, erschrak Jason über die
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