Die Gang: Roman (German Edition)
sagte er, »ist morgen geworden, und deshalb ist heute schon gestern. Und es war wirklich ein schöner Tag.«
Er prostete mit seinem Scotchglas der Uhr zu, zwinkerte und trank aus.
Dann kletterte er vom Barhocker und legte das halb ge lesene Taschenbuch in die Reisetasche, oben auf seine anderen neuen Bücher und Flaschen. Er verschloss die Tasche und hob sie hoch. »Ah, das ist recht gewichtig. Selbst der Sack des Weihnachtsmannes enthielt nie solche Schätze. Weihnachten mitten im Sommer!« Er fing an, ein Seemannslied zu singen, schlurfte zur Kneipentür und ging hinaus.
Draußen atmete er die frische Nachtluft tief ein und seufzte.
»Köstlich«, erklärte er. »Das Elixier der Götter, und man genießt es am besten mit einem Bauch voll Schnaps.« Er schob den Tragegurt der Reisetasche auf seine Schulter, tippte mit dem knotigen Ende seines Stocks an den Hut und setzte seinen Weg fort.
Dichter Nebel hing über der Straße, und er konnte Funland nicht sehen. Aber er wusste, dass es direkt vor ihm lag. Und er wusste, dass es schon geschlossen war. Ein wenig Unruhe stieg in ihm auf.
Normalerweise wäre er längst sicher hinten in den Dünen gewesen, bevor Funland zumachte.
»Poppinsack ist zu lange herumgezogen«, sagte er. »Aber man muss segeln, wenn die Flut kommt, und einkaufen, wenn der Geldbeutel voll ist. Und wie dankbar bin ich jener, die diese großartige Unterhaltung finanziert hat. Ich danke dir, Robin aus dem Sherwood-Wald! Bist du schon weitergewandert? Oder wartest du im Hinterhalt, um dein Eigentum zurückzufordern? Was für ein verrücktes Mädchen. Eine Dame, die so dämlich ist, hat nichts anderes verdient.«
Er zerteilte die Luft mit seinem Stock. »Gefällt, niedergeschlagen, wie ein Sack Tomaten. Und eine reife Tomate ist sie, diese Robin, Singvogel, Minnesängerin, Bardin, Robin mit den feuchten Löckchen. Werden wir heut Nacht am Strand auf Tod und Leben kämpfen? Sei bereit, meinen Stab zu spüren – und dann meinen Stab.« Als er an der Leuchtturm-Bar vorbeispazierte, kam ein Mann heraus.
Poppinsack blieb stehen und wandte sich zur Tür um. In den wenigen Sekunden, bevor sie zufiel, sah er die Lichter drinnen, die rauchgeschwängerte Luft, die bunt aufgereihten Flaschen an der Wand. Er hörte Lachen, Gespräche, ein Lied aus der Musikbox, das sanfte Klicken der Billardbälle, das Klirren von Glas. Er spürte die Wärme der Barluft. Und vor allem roch er sie: Er sog den vertrauten Geruch von Sägespänen, altem Zigaretten- und Zigarrenrauch und einer herzhaften Mixtur von Schweiß, Urin und Schnaps ein.
»Seid gesegnet, ihr Götter«, sagte er. »Poppinsack verspürt neuen Durst.«
Und damit betrat er die Bar.
Robin saß auf ihrem Schlafsack und wartete auf Poppinsack, unten am Fuß des sandigen Abhangs, wo sie in der vergangenen Nacht kampiert hatte.
Vielleicht ist er zu schlau, wieder hierherzukommen. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich die Stadt verlassen werde. Er wird denken, ich wäre weg. Und selbst wenn er weiß, dass ich hiergeblieben bin, wird er nie glauben, dass ich den Mut hätte, ihn anzugreifen.
Was, wenn er nicht kommt?
Wie lange soll ich warten?
Obwohl sie zusammengekauert dasaß, die Knie an die Brust gezogen, ließ die Kälte sie erschauern. Sie sehnte sich danach, in ihrem warmen Schlafsack zu liegen. Aber was, wenn sie dann im Schlafsack läge und vielleicht sogar schlafen würde, wenn er käme? Sie wäre ihm ausgeliefert.
Robin stand auf, wie sie es schon so oft getan hatte, seit sie hier saß, und kletterte auf die Düne. Sie hörte zwar die Brandung, aber der Nebel war so dicht, dass sie das Meer nicht sehen konnte. In den blassen, umherziehen den Nebelschwaden konnte sie höchstens zehn Meter weit sehen, und nichts außer den verlassenen Dünen lag in ihrem Blickfeld.
Sie nahm an, dass sie Poppinsack verpasst hatte, während sie in der Senke saß. Er konnte ganz in der Nähe einen Schlafplatz gefunden haben. Vielleicht war er sogar zu seinem alten Platz zurückgekehrt, hatte von der Düne hinabgeblickt und sie entdeckt. Und dann war er weggekrochen, um sich von ihr fernzuhalten – oder sie zu überfallen, wenn sie schlief.
Eigentlich sollte sie in der Umgebung nach ihm suchen. Aber diese neblige, einsame Gegend machte sie nervös. Sie mochte es auch nicht, hier oben so preisgegeben zu stehen. Es kam ihr nicht sicher vor. Sie wollte zurück in die Senke, geduckt hocken, damit sie niemand sehen konnte.
Und während sie sich umsah, bekam sie immer
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