Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
sie noch …
Sie hatten selbst das Weite gesucht, und der Schwarze Peter war zum ersten Mal in seinem ganzen Leben allein, ganz allein.
Er war nicht nur allein, er besaß auch keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Wenn seine Familie zurückkam, dann erst, wenn sie es für angebracht hielt, und keinen Augenblick früher. Bis dahin war er ein Ersatzgerät, ein Wachsoldat, ein Hilfsprogramm.
In seinem langen Leben hatte Peter sich Geduld beigebracht, aber nie gelernt, das zu genießen. Es machte einen verrückt, warten zu müssen. Fünfzig Tage dauerte eine Antwort von der Erde auf seine völlig vernünftigen Vorschläge und Fragen. Beinahe ebenso lang musste er darauf warten, dass seine Familie und dieser Flegel dort ankamen, wo sie hinwollten (falls sie jemals hingelangten), und sich bei ihm meldeten (falls sie sich überhaupt dazu aufzuschwingen beliebten). Das Warten war nicht so schlimm, wenn man noch genug Lebensjahre vor sich hatte. Aber wie viele blieben ihm noch, wenn man es genau nahm? Angenommen, er erlitt einen Schlaganfall. Angenommen, er bekam Krebs. Angenommen, irgendetwas in dem komplizierten Zusammenspiel, das sein Herz am Schlagen und sein Blut am Fließen, seine Eingeweide in Bewegung und sein Gehirn am Denken hielt, fiel aus? Was dann?
Und eines Tages würde das gewiss der Fall sein, denn Peter war alt. Er hatte so oft ein falsches Alter angegeben, dass er selbst nicht mehr genau wusste, welches das richtige war. Nicht einmal seine Kinder wussten es; die Geschichten, die er über die Jugend seines Großvaters erzählt hatte, betrafen in Wirklichkeit seine eigene. Das Alter an sich spielte keine Rolle. Medizinischer Vollschutz bewältigte alles, Instandsetzung oder Ersatz, solange es nicht das Gehirn selbst war, das Schäden erlitt. Und Peters Gehirn war in bester Verfassung – hatte es nicht geplant und intrigiert, um ihn hierher zu bringen?
Aber »hier« gab es keinen medizinischen Vollschutz, und das Alter begann eine große Rolle zu spielen.
Er war kein Junge mehr! Aber er war einer gewesen, und selbst damals hatte er schon gewusst, dass er auf irgendeine Weise, irgendwann, genau das besitzen würde, was er jetzt hatte: den Schlüssel zu den innigsten Wünschen. Bürgermeister von Dortmund? Das war gar nichts! Der magere, junge Peter, kleinster und jüngster Pimpf in der Hitlerjugend, aber trotzdem rasch ein Führer, hatte sich vorgenommen, dass er viel mehr bekommen würde. Er hatte sogar gewusst, dass es etwas in dieser Art sein würde, dass sich ein enormer Zukunftsplan auftun musste und dass er allein imstande sein würde, das in die Hand zu nehmen, es zu schwingen wie eine Axt, eine Sense, um zu bestrafen oder zu ernten oder die Welt umzugestalten. Nun, hier war es! Und was machte er damit? Er wartete. So war es nicht gewesen in den Jugendgeschichten von Gail und Dominik und Verne, dem Franzosen. Die Figuren in diesen Geschichten verausgabten sich nicht so rückgratlos.
Aber was sollte man schließlich tun?
Während er also darauf wartete, dass diese Frage sich von selbst beantwortete, machte er weiterhin seine täglichen Runden. Er aß am Tag vier leichte Mahlzeiten, jede zweite aus CHON-Nahrung bestehend, und diktierte Vera methodisch seine Eindrücke von Geschmack und Beschaffenheit. Er befahl Vera, aus einzelnen Komponenten von Sensorgeräten, die man entbehren konnte, ein neues mobiles Bioprüfgerät zu konstruieren, und arbeitete an seinem Zusammenbau, sobald sie Zeit gefunden hatten, Teilentwürfe fertig zu stellen. Er schwang jeden Morgen zehn Minuten lang die Hanteln, machte jeden Nachmittag eine halbe Stunde lang Turnübungen. Er wanderte methodisch durch jeden Tunnel in der Nahrungsfabrik und richtete seine Handkamera in jeden Winkel. Er verfasste lange Beschwerdebriefe an seine Vorgesetzten auf der Erde, besprach in Andeutungen die Vorteile eines Abbruchs der Mission und einer Rückkehr zur Erde, sobald er seine Familie zurückrufen konnte, wobei er einen oder zwei dieser Briefe sogar abschickte. Er schrieb erboste und herrische Anweisungen für seinen Rechtsanwalt in Stuttgart, natürlich verschlüsselte, verteidigte seine Position und verlangte eine Abänderung des Vertrages. Und vor allem plante er. Ganz besonders, was den Traumplatz anging.
Dieser Traumort mit seinem erstaunlichen Potenzial spielte in seinen Überlegungen eine große Rolle. Wenn er deprimiert und gereizt war, überlegte er sich, wie recht es der Erde geschähe, würde er die Liege instand
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