Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
über die Ställe des Grafen.«
»Oh!«
Der Mann klopfte auf seinen Bauch. »Denkt Euch ein paar Jahre und ein paar Pfunde weg, und Ihr erkennt vielleicht die Familienähnlichkeit. Ihr habt demnach auch keine Ahnung, wo mein kleiner Bruder sich aufhält? Dann sollten wir ihn gemeinsam suchen. Kommt Ihr?«
Etwas überrumpelt ließ Gerald sich von Rigbert aus der Kammer drängen. Im Licht der einfallenden Sonnenstrahlen konnte er gerade noch einen Blick auf das unberührte Bett des Verwalters werfen, ehe die Tür sich schloss.
»Und das ist also das Schwert?«, fragte Rigbert, während er Gerald mit sich zog. »Ich bin überrascht, dass mein kleiner Bruder nicht schon zur Stelle ist. Er ist ja fast geplatzt vor Stolz, nachdem ihr ihn zum Fronboten gemacht habt.«
»In seinem Bett hat er jedenfalls nicht geschlafen.«
Rigbert musterte ihn aus seinen klugen kleinen Augen. »Ach, das habt Ihr gesehen. Nun, das hat nichts zu sagen, mein Bruder ist in vielen Betten zu Hause.« Obwohl er lachte, schien in seinem Tonfall eine gewisse Schärfe mitzuschwingen. Er stieß die Tür zu einem weitläufigen Gebäude auf, und sofort umgab sie der warme Geruch von Pferden.
»Das sind die Ställe!«, entfuhr es Gerald.
Rigbert schlug ihm seine flache Hand ins Kreuz. »Ihr seid wirklich ein guter Beobachter, Schmied«, prustete er. »Ihr glaubt doch nicht, dass ich den ganzen Weg nach Buchhorn zu Fuß gehe.«
»So bin ich hergekommen!«
»Habt Euch nicht so. Ihr seid ein verheirateter Mann, da werdet Ihr doch eine Stute reiten können! Ich such Euch auch eine zahme heraus!«
Gerald zwang sich, in Rigberts anzügliches Gelächter einzustimmen, während er sich ins Gedächtnis rief, was er über Pferde wusste. Aber im Gegensatz zu seinem alten treuen Wildfang schien jeder dieser Gäule riesig und wild. Mit zusammengebissenen Zähnen machte er sich daran, die braune Stute, zu der Rigbert ihn schob, aufzuzäumen, dabei streichelte er vorsichtig ihren Hals. Das Tier warf den Kopf zurück und bleckte die Zähne.
Gerald machte einen Satz rückwärts und wäre fast gegen Rigbert gestolpert, der ihn belustigt beobachtete.
»Ich seh schon, Ihr seid kein Reitersmann«, grinste der Stallmeister und zog die Braune und sein eigenes Pferd hinter sich her ins Freie. »Steigt auf, ich halte sie!«, befahl er Gerald. »Ich hoffe nur, das hier taugt mehr!« Er reichte dem Schmied das Schwert hinauf.
Gerald brachte nur ein Nicken zustande. Er fühlte, dass sein Gesicht vor Ärger und Scham brannte. »Wohin?«, fragte er kurz.
»Ins Dorf. Mal sehen, wo mein lieber Bruder die Nacht verbracht hat.«
»Vielleicht gab es Ärger mit dem Gefangenen.«
»Vielleicht auch nicht«, gab Rigbert trocken zurück und trieb sein Pferd an.
Eine Weile ritten sie schweigend, und Gerald hatte alle Mühe, sich im Sattel zu halten, doch plötzlich zügelte Rigbert sein Tier. »Hört Ihr das?«
»Stimmen!«, sagte Gerald, nachdem er eine Weile gelauscht hatte. »Sie kommen aus Buchhorn. Hoffentlich ist nichts passiert.« Unbeholfen ließ er sich aus dem Sattel fallen und machte ein paar vorsichtige Schritte, als die ersten Gestalten zwischen den Bäumen auftauchten. Er hob die Hand. »Eberhard! Hannes!«
»Gerald!« Mit großen Schritten kamen die beiden auf ihn zu. »Gut, dass du da bist. Wir suchen Reinmar! Es gibt wieder Ärger!«
Gerald unterdrückte einen Fluch. »Demnach ist er also nicht bei euch? Wir …«, er machte eine flüchtige Geste zu Rigbert hinüber, der die beiden Pferde an einen Baum band, »…suchen ihn auch schon.«
Eberhard und Hannes schüttelten gleichzeitig die Köpfe. »Das ist nicht gut!«
»Wulfhard?«
Eberhard verzog das Gesicht. »Natürlich. Gestern wollten Dietger und seine Freunde Reinmar die Arbeit schon abnehmen, da ist Reinmar eingeschritten, und heute Morgen …«
»Ja?«, drängte Gerald.
»Nun, Wulfhard scheint endlich begriffen zu haben, dass er bald vor seinem Richter steht, jedenfalls brüllt er jetzt abwechselnd nach dem Pfaffen, stößt wilde Drohungen aus und gebärdet sich wie ein Wahnsinniger. Ganz Buchhorn ist auf den Beinen. Die Stimmung ist … sagen wir vorsichtig: aufgeheizt!«
»Verdammt! Und gestern Nacht war Reinmar noch da?«
»Gesund und munter.«
Gerald und Rigbert tauschten einen Blick. Der Stallmeister öffnete den Mund, aber Gerald kam ihm zuvor: »Gut! Eberhard, du kümmerst dich weiter um die Bewachung des Gefangenen. Schick uns auch noch ein paar Männer vorbei, die nicht ganz den
Weitere Kostenlose Bücher