Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
müssen noch die Netze flicken, die der Wels zerrissen hat.«
Der Kleine zog eine Schnute. »Aber heute Mittag kommen wir wieder her, nicht wahr? Wird er in Ketten sein? Warum hat der Pfaffe die Leute weggeschickt, Großvater? Er ist doch ein Mörder, oder?«
»Ja, aber es muss alles seinen rechten Gang nehmen, sonst sind wir nicht besser als er.«
Der Pfaffe und der Fischer tauschten ein Lächeln, während der kleine Junge ernsthaft nickte. »Aber warum ist der Mann böse, wenn Gott auch für ihn da ist?«
»Weil der Teufel in ihm ist«, antwortete der Pfaffe und strich dem Jungen über das wirre Haar.
»Fährt der Teufel aus ihm raus, wenn der Fronbote ihn nachher aufschlitzt?«
Die beiden Männer lachten. »Ja, aber du kannst den Teufel nicht sehen. Und jetzt hilf deinem Großvater bei der Arbeit.«
Der Junge nickte. »Heute Morgen hat ein Wels Vaters bestes Netz zerrissen. Ich hab es selbst nicht gesehen, aber ein paar der Fischer haben es erzählt«, berichtete er mit leuchtenden Augen. »Der Wels hat getobt wie der Mann da!«
»Dann danke Gott, dass er deinen Vater beschützt hat. Und nun lauf!«, sagte der Pfaffe und schob den Jungen sanft zu seinem Großvater. Mit einem letzten Blick auf den Schuppen schlug er das Kreuz und machte sich auf den Weg zur Leutkirche.
Der Junge zupfte den alten Mann am Ärmel. »Was brauchst du, Großvater?«
»Ein paar Steine, mit denen ich das Netz beschweren kann. Dann sehe ich die schadhaften Stellen.«
»Ich hol welche!«, rief der Junge und stob davon.
Sekundenlang sah der Alte ihm mit einem liebevollen Schmunzeln nach, ehe er zum Ufer ging und das Netz auf dem groben Kies ausbreitete. Er seufzte. Es würde nicht leicht sein, es noch zu flicken. Es war wohl Glück im Unglück. Der Pfaffe hatte recht, der Fisch hätte seinen Sohn leicht in den Tod reißen können. Der alte Mann richtete sich auf und schaute auf das Wasser hinaus. Der Bodensee schimmerte im Licht der Vormittagssonne, und in der Ferne waren die ersten Boote zu erkennen, die den Fang heimbrachten. Grüßend hob er die Hand.
In dieser Sekunde gellte ein Schrei durch die friedliche Stille. Der alte Fischer fuhr herum und sah, wie sein Enkel kreidebleich auf ihn zurannte.
»Junge, was ist passiert? Was hast du?«
Das Kind deutete hinter sich und schluchzte.
H
»Nichts?«
Hannes schüttelte den Kopf. »Weit und breit keine Spur. Und bald ist Mittag!«
»Ich sag doch, dass wir im Dorf suchen sollten. Irgendwo ist mein werter Bruder schon untergekrochen.« Rigbert lächelte säuerlich.
Hannes warf Gerald einen fragenden Blick zu, während er die Männer heranwinkte, die in kleinen Gruppen aus dem Wald kamen. Auf allen Gesichtern lag Anspannung und Ratlosigkeit.
»Was sagen die Spielleute?«, fragte Gerald.
»Die wollen natürlich nichts gesehen haben. Aber etwas Verdächtiges haben wir auch nicht bemerkt.« Es schien beinahe, als sei der Mann enttäuscht.
Gerald kaute auf seiner Unterlippe herum, endlich gab er sich einen Ruck. »Ich glaube zwar nicht, dass Reinmar sich betrunken hat, aber mir fällt auch nichts anderes ein, als nach Buchhorn zurückzukehren. Rigbert und ich werden …«, er unterdrückte einen Seufzer, »vorausreiten, die anderen kommen nach. Und haltet weiter die Augen offen.« Gerald fasste die Mähne der Braunen und kletterte unbeholfen in den Sattel. Als er aufrecht saß und die Zügel umklammerte, hörte er Rigberts spöttisches Räuspern. »Was ist?«
»Die Rolle des Befehlshabers füllt Ihr ja schon ganz gut aus, junger Mann. Vielleicht solltet Ihr darüber nachdenken, Euch ein Pferd zuzulegen. Nicht den alten Klepper Eures Vaters, einen richtigen Gaul, der etwas hermacht.«
»Kein Geld!«, antwortete Gerald kurz.
»Oh, mit dem Preis könnte ich Euch entgegenkommen, wenn es nur daran liegt. Ich habe da meine Kontakte. Nun, was meint Ihr?«
»Dass das im Moment meine geringste Sorge ist. Reitet Ihr voraus, Rigbert, dieser verdammte Gaul tut eher das, was Ihr macht, als was ich von ihm möchte.«
Rigbert lachte und lenkte sein Pferd an Gerald vorbei. Einige Zeit später sahen sie die Umrisse der ersten Hütten vor sich. Geralds Unbehagen verdichtete sich zu einem Gefühl von Angst. »Wo sind die nur alle?«, fragte er. Aus den verlassenen Gassen antwortete gespenstische Reglosigkeit.
»Hör doch hin, die stimmen sich auf die Hinrichtung ein. Und wahrscheinlich ist Reinmar längst da!« Rigbert machte eine Kopfbewegung nach vorne.
»Zwölfe, zwölfe,
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