Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
Gudrun.«
»Schön, dich zu sehen. Wie geht es deiner Frau?«
Ein leicht selbstgefälliges Lächeln huschte über das Gesicht des jungen Schmieds. »Bestens, danke. Sie fürchtet sich ein wenig vor den Spielleuten, die gestern hier eingefallen sind, aber sonst geht es ihr blendend.«
Gudrun schnaubte belustigt. »Fridrun? Die fürchtet sich bestimmt nicht. Wieso? Beunruhigen dich diese Leute etwa?«
Gerald schüttelte heftig den Kopf. »Mich? Nein! Aber«, fügte er mit gerunzelter Stirn hinzu, »man sagt, sie stehlen. Wir können nicht noch mehr Ärger im Ort brauchen. Ich habe gehört, Reinmar war gestern bei ihnen in ihrem Lager am Waldrand. Wo steckt er übrigens? Ich bringe ihm das Schwert für die Hinrichtung.« Er klopfte auf das Bündel. »Die Schneide ist frisch geschliffen, aber nicht zu scharf. Die Leute sollen ihren Spaß haben.«
Gudrun trat einen Schritt näher und spähte von unten in Geralds grimmiges Gesicht. »Die Klinge ist dein Teil, zu Wulfhards Tod beizutragen, ja?«
»Wenn du so willst.«
Gudruns Gesicht wurde ernst. »Du willst Rache für deine Eltern. Rache ist nie gut!«
Geralds helles Gesicht rötete sich. »Wulfhard hat jeden Tod verdient, den Reinmar sich für ihn ausdenken kann. Er hat Udalrich verraten und …«
»Die Mörder deiner Eltern gedungen, ich weiß. Wulfhard mag ein schlechter Mensch sein, aber dein Zorn ist sündhaft.«
»Reinmar wird Gottes Willen vollstrecken.«
Gudrun schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich wüsste so genau, was Gottes Wille ist. Ich habe euren Fronboten jedenfalls heute noch nicht gesehen. Vielleicht besinnt er sich ja und lehnt es ab, euren Richter zu spielen. Du würdest das ohnehin am liebsten selbst tun, oder? Oder?« Ihre alten Augen musterten Gerald durchdringend.
Der Schmied umklammerte das Schwert unter dem schützenden Tuch fester. »Ja«, stieß er hervor, »am liebsten würde ich ihn selbst töten. Er hat meine Eltern auf dem Gewissen.«
»Die Toten werden nicht mehr lebendig. Aber das musst du mit dem Herrgott ausmachen«, sagte Gudrun und verschwand ohne ein weiteres Wort in der Küche.
Gerald schaute sich im Hof um. Der Turm und die Mauerumgänge wirkten von Weitem weitaus bedrohlicher, als sie aus der Nähe waren. Nach kurzem Zögern wandte er sich dem Gesindehaus zu, das sich an das Haupthaus anschloss. Er winkte eine junge Magd heran, die eben einen vollen Eimer aus der Küche schleppte.
»Gott zum Gruß, Anna. Ich suche Reinmar. Kannst du mir sagen, wo ich ihn finde?«
Das Mädchen wurde rot. »Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Vielleicht … vielleicht ist er in seinem Zimmer!« Mit dem Kinn machte sie eine Bewegung nach dem Gesindehaus hinüber. »Am Ende des Ganges.«
Gerald rief ihr einen kurzen Dank nach, doch seine Worte gingen ins Leere. Anna verschwand bereits zwischen den Gebäuden des Anwesens. Kopfschüttelnd sah er ihr nach, ehe er dem angezeigten Weg folgte. Vor der Tür der Kammer blieb er stehen und klopfte. »Reinmar? Ich bin es, Gerald, der Schmied. Ich bringe Euch das Schwert! Reinmar?« Gerald drückte ein Ohr an die Tür, aber in der Kammer regte sich nichts. Er wollte sich gerade abwenden, als er von drinnen ein Scharren, dann einen dumpfen Schlag hörte. Ein unterdrückter Schrei folgte. Gerald handelte, ohne nachzudenken. Er riss die Tür auf und stand mit wenigen Schritten in der Mitte der schmalen Kammer. Überrascht sah er auf einen stämmigen Mann hinunter, der vor einer schweren Holztruhe kniete und leise Schmerzenslaute von sich gab.
»Reinmar …«, der Mann drehte den Kopf, »seid Ihr nicht!«, vollendete Gerald betroffen. »Was macht Ihr hier?«
»Mir ist die verdammte Truhe auf die Hand gefallen!«, schimpfte der Mann und hielt Gerald seine verfärbten Finger entgegen. Er kam stöhnend auf die Füße und klopfte seine Hose ab. »Ihr seid der Schmied, nicht wahr? Gerald? Was macht Ihr hier?«
»Ich suche Reinmar. Und Ihr?«
»Das tue ich auch …«
»In der Truhe?«, unterbrach Gerald ihn argwöhnisch. »Ich denke, Reinmar wird nicht begeistert sein, wenn er erfährt, dass Ihr in seinen Sachen herumgewühlt habt.« Zu seiner Überraschung huschte ein Grinsen über das kantige Gesicht des Mannes.
»Da mögt Ihr recht haben, junger Freund, aber vielleicht ist es nicht ganz so schlimm, wie Ihr denkt. Ich dachte, Ihr kennt mich, aber natürlich seid Ihr erst ein paar Monate in Buchhorn. Ich bin Rigbert, Reinmars Bruder. Ich habe die Oberaufsicht
Weitere Kostenlose Bücher