Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
daheim, wie du den Herzog gesehen hast.« Der Anführer lachte, und seine Männer fielen mit ein. Es schien, als ob der Junge protestieren wollte, aber dann besann er sich eines Besseren. »Ich seh dich in Buchhorn, Eberhard!«, rief er und schwang sich auf den Rücken der Stute.
»Und sag deinen Leuten, sie bräuchten keinen neuen Fronboten zu wählen!«, rief der Offizier ihm nach. »Die Sache wird jetzt hier«, er feixte gemein, »endgültig beendet!«
Wulfhard verzog die Mundwinkel. »Warten wir’s ab, mein Freund!«
Mit einem Anflug von Neid sah Eberhard der davongaloppierenden Stute und ihrem Reiter nach.
Die tiefe Stimme des Anführers riss ihn aus seinen Gedanken. »Los! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
Hastig bestieg Eberhard das mächtige Schlachtross. Auf so einem Tier hatte er noch nie gesessen. Nervös umklammerte er die Zügel, während sich um ihn der Zug formierte. »Und er?«, erkundigte er sich und deutete auf Wulfhard.
»Um den musst du dich nicht mehr kümmern, das hab ich doch gesagt. Warum habt ihr den Kerl eigentlich nicht längst in die Hölle geschickt?« Der Offizier hatte sein Pferd neben Eberhards gelenkt und musterte ihn streng.
Der junge Kriegsknecht fragte sich, ob es die Augenbrauen waren, die ihm einen derart finsteren Ausdruck verliehen, oder ob der Zorn des Mannes sich wirklich gegen ihn richtete. »Ich weiß nicht. Ich hab nur auf ihn aufgepasst.«
»Na, das ist ja jetzt unsere Sache. Schon mal in Konstanz gewesen?«
Eberhard schüttelte den Kopf. »Ich habe nie eine so große Stadt gesehen«, sagte er mit einem andächtigen Blick auf das hoch aufragende Gotteshaus.
Der Anführer musterte ihn verdutzt und stieß ein wieherndes Gelächter aus, in das seine Männer erneut pflichtbewusst einstimmten. »Du glaubst, dass das Konstanz ist? Schau mal da vorne, das ist die Stadtmauer. Die stammt noch von dem heidnischen Römerkastell. Und da …«, sein Finger wanderte höher, »siehst du die Kirche ›Unserer Lieben Frau‹.«
Eberhards Mund klappte auf. »Und das?«, fragte er mit einer schwachen Handbewegung, die das bunte Treiben am Ufer einschloss.
»Das ist nur der Markt, den der Fürstbischof gegründet hat. Hier findest du Waren aus aller Welt, sogar aus Italien und aus dem Orient. Aber nun mach dein Maul zu und komm! Wir werden erwartet!«
Eingeschüchtert hielt Eberhard sein Pferd an der Seite des Soldaten. Nie in seinem Leben hatte er einen Ort mit einer Stadtmauer gesehen. Das mannshohe, altersdunkle Gemäuer schien ihn zu erdrücken. Eberhard war froh, dass die Wachen am Stadttor sie kaum beachteten, aber seine Erleichterung war von kurzer Dauer. Kaum hatten sie die Stadt betreten, als ihn eine überwältigende Geräuschkulisse empfing. Bettler baten mit schrillen Stimmen um Almosen, prächtig gekleidete Frauen scherzten und lachten, Männer fluchten. Sogar die Häuser wirkten bedrohlich in ihrer Größe und Vielzahl. Plötzlich musste Eberhard an Geralds Erzählungen aus Bregenz denken. Er verstand nicht, wie der Schmied in so einer Umgebung hatte leben können. Nicht einmal die Gerüche waren ihm vertraut. Die Straße war gepflastert mit den Hinterlassenschaften von Pferden und Zugvieh, und wer auf seine Kleider achtete, drückte sich an den Hauswänden entlang, stets auf der Hut, nicht einen Eimer Wasser oder Schlimmeres auf den Kopf geschüttet zu bekommen. Eine Böe fuhr durch die Gassen und brachte beißenden Fischgestank mit sich. Eberhard drehte den Kopf in den Wind und erstarrte, als er die Kirche sah, deren Steinmauern ein dunkles Viereck in den hellblauen Himmel schnitten.
»Gott im Himmel«, entfuhr es ihm. »Heilige Muttergottes! Die ist ja aus Stein!«
»Ja, aus Lehm ist sie nicht! Schau nach vorne, Kerl!«
Je weiter sie in das Herz der Stadt eindrangen, desto schwieriger wurde es, vorwärtszukommen, zumal der Anblick eines Mannes, der in Ketten durch Konstanz gebracht wurde, die allgemeine Neugier anstachelte.
»He, was hat der ausgefressen?«
»Er war zu neugierig!«, knurrte der Offizier und stieß den Frager mit einem Fußtritt beiseite.
»Warum sagst du es ihm nicht, mein Freund?« Wulfhard lachte spöttisch. »Oder geht dir das Wort ›Verrat‹ nicht über die Lippen?«
»Halt dein Schandmaul!«, fuhr der Offizier ihn an, und seine dunklen Augen flammten auf. »Und ich bin ganz bestimmt nicht dein Freund, du Landplage!«
Wulfhard schüttelte in gespieltem Bedauern den Kopf. »Ich scheine überall Freunde zu sehen, wo keine
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