Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Schließlich bückte er sich und legte Wulfhard schweigend die Fußfesseln an. Er war gerade fertig geworden, als Eberhard und ein junger Bursche von vielleicht 16 Jahren in die Schmiede kamen.
Der Junge musterte Wulfhard mit unverhohlener Neugier. »Das ist er also? Den hab ich mir gefährlicher vorgestellt. Na, dann rauf auf den Wagen mit ihm. Eure Frau hat das Pferd schon wieder angespannt.«
Neben dem Karren in der Dunkelheit stand Fridrun. Ihr Gesicht war ein bleicher Fleck im Schein des Windlichts. Sie reichte Eberhard einen Beutel. »Wegzehrung«, sagte sie leise. Danach streifte sie Wulfhards aufgesprungene, geschwollene Lippen mit einem kurzen Blick, ihre Mundwinkel zuckten. Plötzlich hielt sie ihm den Wasserkrug hin. Ihre Hände zitterten. »Trink«, sagte sie, ohne Gerald anzusehen. »Um Christi Barmherzigkeit willen.«
Wulfhard entkorkte den Krug unbeholfen. Die Ketten an seinen Gelenken klirrten, als er ihr die Flasche schließlich zurückgab. »Ich danke Euch. Ich werde beten, dass ich Gelegenheit bekomme, diese Schuld zurückzuzahlen«, sagte er mit einem halben Lächeln, ehe er die Männer ansah. »Nun? Wohin geht meine Reise?«
Eberhard packte ihn hart am Kragen. »In die Hölle, hoffe ich.«
»Lass ihn!«, entfuhr es Fridrun.
»Schaff ihn auf den Wagen!«, befahl Gerald. Zu Hannes’ Neffen sagte er: »Du nimmst die Stute.« Er legte den Arm um Fridrun und strich ihr über das Haar. »Und damit wäre das Tier wohl gekauft. Ich hoffe, Rigbert hält Wort und macht mir einen guten Preis.«
Fridrun schloss die Augen und schmiegte sich in die schützende Wärme der Umarmung, während Karren und Stute den Weg nach Konstanz einschlugen.
V
Eberhard lehnte sich gegen den Karren und schirmte mit der flachen Hand die Augen ab. Er fühlte sich wie betäubt: die vielen Häuser, die sich um den hölzernen Bau der St. Stephanskirche scharten, die Händler auf dem Markt, die sogar ihre eigenen Bootsstege zu haben schienen, Waren, deren Namen er kaum kannte. Er musste sich zwingen, an das zu denken, was vor ihm lag. »Herr, ich bringe schlechte Nachrichten aus Buchhorn …«, flüsterte er vor sich hin. »Herr, ich danke Euch, dass Ihr mich empfangen habt, aber ich bringe …« Ein Gähnen zwang ihn, innezuhalten. Als er die Augen wieder geöffnet hatte, sah er einen Trupp von fünf Reitern auf sich zukommen. In der klaren Morgenluft blitzten und funkelten ihre Waffen. Hastig schlug er die Faust gegen die Seitenwand des Karrens: »Aufwachen!«
Das gleichmäßige Schnarchen, das seit geraumer Zeit von der Ladefläche kam, verstummte abrupt, und Wulfhards zerzauster Haarschopf tauchte über dem Rand des Karrens auf. »Soldaten!« Plötzlich wirkte er hellwach, so wach, dass Eberhard sich insgeheim fragte, ob er wirklich den ganzen Weg über geschlafen hatte. »Ich bin ja richtig wichtig, wie?«
»Bild dir was drauf ein, wenn es dich glücklich macht. Ich möchte jedenfalls nicht mit dir tauschen«, antwortete Eberhard gähnend, während er sich mit einem kurzen Griff überzeugte, dass Wulfhards Ketten festsaßen.
Hannes’ Neffe erreichte sie als Erster. Der Junge strahlte über das ganze Gesicht, während er die braune Stute vor dem Karren zügelte. »He, Eberhard, stell dir vor, ich hab den Fürstbischof gesehen! Und Herzog Burchard selbst hat mich empfangen!«
Eberhard hatte gerade noch Zeit für einen skeptischen Blick, als der Junge von den vier Soldaten beiseite gedrängt wurde.
»Wir sind hier im Namen des Herzogs, also halt’s Maul, du Prahlhans«, knurrte der Älteste, ein untersetzter Mann mit buschigen Brauen und einer tiefen Narbe über dem linken Auge. Abfällig sah er auf Wulfhard hinunter. »So sieht einer aus, der Hochverrat begangen hat. Nun, da habe ich schon beeindruckendere Verräter gesehen.« Er drehte sich zu seinen Männern um. »Ihr übernehmt ihn jetzt!«
Sofort kletterte ein Soldat auf den Kutschbock. Als er die Peitsche auf Wildfangs Rücken knallen ließ, wieherte der alte Hengst vor Schreck laut auf.
»He!«, rief Eberhard. »Immer schön sachte. Wildfang ist …«
Schallendes Gelächter übertönte den Rest seines Satzes.
»Wie nennst du den Klepper?«, prustete der Anführer. »Wie auch immer, steig auf«, er wies auf das Pferd des Soldaten, »und folge mir.«
»Und ich?«, fragte Hannes’ Neffe, der die Soldaten beinahe ehrfürchtig anstarrte.
»Dich brauchen wir hier nicht mehr. Reit nach Hause und erzähl den Bauern
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