Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
finde ich sie bei einem Toten.« Er drehte die Tasche um, aus der nach leichtem Schütteln eine rotblonde Locke fiel. Er hielt das Liebespfand ins Licht, ehe er es mit einem seltsamen Gesichtsausdruck wieder in seine lederne Umhüllung schob. Erst als er Schritte vor der Tür hörte, fand er zu seiner alten Reglosigkeit zurück. Er band seinen Beutel wieder an den Strick um die Taille und stand auf.
In Wulfhards Augen flackerte die Neugier, aber er stellte keine Fragen.
Eckhard streckte die Hand aus. »Gib mir das Messer!« Er nahm Wulfhard die Waffe aus der Hand und versuchte, sie in die Scheide zu schieben. »Hm, passt nicht.«
»Weil da ein Jagdmesser reingehört, kein Wurfmesser«, bemerkte Wulfhard beiläufig. »Das kann nicht passen.«
Eckhard hielt Rigbert die Scheide hin. »Hat er recht?«
Der Stallmeister nickte mürrisch, und der Mönch gab Wulfhard das Messer zurück.
»Das war es schon«, sagte er. »Und jetzt möchte ich mit Anna sprechen.«
Eckhard nahm sich Zeit, die drei Frauen zu mustern. Die beiden jüngeren verneigten sich respektvoll, als er mit dem Stallmeister die Küche betrat, nur die alte Köchin strahlte ihn an. »Es tut gut, Euch zu sehen, Herr! Ihr werdet herausfinden, wer für diese entsetzlichen Morde verantwortlich ist, nicht wahr?«
»Wenn Gott der Herr mir beisteht.« Der Mönch lächelte und richtete seine Aufmerksamkeit auf die beiden jungen Frauen. Die eine war ein dralles Mädchen von 15 oder 16 Jahren, das ihn halb scheu, halb neugierig musterte. Die andere hielt den Kopf gesenkt, sodass ihr Gesicht von den langen dunklen Haarsträhnen fast verborgen wurde. Eckhard fiel auf, dass ihr Kleid zerrissen und nur notdürftig geflickt war. Beide schwiegen.
Gudrun runzelte die Stirn. »Verzeiht den jungen Dingern ihre Blödigkeit«, raunte sie Eckhard zu. »Das da ist meine Tochter Anna. Und da hinten ist Kunigunde, unsere neue Küchenmagd.«
»Eine Küchenmagd«, wiederholte Eckhard langsam. »Ach so?«
»Eine Gauklerin ist sie!«, sagte Rigbert, indem er zu Kunigunde trat und sie nach vorne stieß. »Zeig mehr Ehrfurcht, Mädchen!«
Eckhard musterte ihr breites Gesicht eingehend. »Du bist die Frau, die in Buchhorn in Schwierigkeiten geraten ist, nicht wahr?«
Ein Ausdruck von Überraschung huschte über ihr Gesicht. »Ja. Woher wisst Ihr das?«
»Ich habe mit deinen Freunden gesprochen«, antwortete der Mönch freundlich, während er Rigbert mit einer Geste daran hinderte, das Mädchen erneut zurechtzuweisen. »Du weißt sicher, dass der Verwalter des Grafen ermordet worden ist. Du hast ihn ja auch gesehen, als er zu euch ins Lager kam. Hat er etwas zu dir gesagt?«
»Zu mir, Herr?«
»Reinmar war dafür bekannt, dass er schöne Frauen schätzte. Es fällt mir schwer zu glauben, dass du ihm nicht aufgefallen bist.« Eckhard betrachtete mit hochgezogenen Brauen ihren zerrissenen Rock.
Kunigunde wurde blass. »Ich weiß nicht, was Ihr meint, Herr.«
»Dein Aussehen. Woher kommst du?«
»Meine Familie wurde aus Pannonien vertrieben, weil die Ungarn das Land nahmen.«
»Eine Heidin!«, schnaubte Rigbert.
Eckhard schüttelte den Kopf, ohne Kunigunde aus den Augen zu lassen. »Die Slawen sind schon lange Christen. Viele, wie die Bulgaren etwa, sind zwar Gläubige im Sinne der Ostkirche, aber es sind Christenmenschen.«
Kunigunde lächelte leicht. Ihre Augen waren tief und dunkel. Eckhard ertappte sich dabei, wie er ihr Lächeln erwiderte, ehe er sie hinausschickte und sich Anna zuwandte. Auf den runden Wangen des Mädchens erblühten rote Flecken, und sie begann an ihren Haaren herumzuzupfen.
»Es geht um Hilde, nicht wahr, Herr?«, platzte sie heraus.
Gudrun stieß einen unwilligen Laut aus, aber Eckhard brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. »Wie kommst du darauf?«
»Na, weil sie doch tot ist. Und weil sie meine Freundin war.« Plötzlich schimmerten Tränen in den braunen Augen. »Und weil auf einmal alle schlecht über sie reden.«
»Du hast eine Kammer mit ihr geteilt?«
Anna nickte und schniefte.
»Und ihr habt sicher auch über die Dinge gesprochen, die euch wichtig waren. Zum Beispiel über Reinmar.«
Es war beeindruckend zu beobachten, wie schnell die Farbe in ihrem Gesicht wechselte. Sie verknotete ihre Finger und begann zu stottern.
Eckhard dachte an die Locke, die er in Reinmars Sachen gefunden hatte. »Hilde war rothaarig, nicht wahr?«
»Ja, Herr.« Annas Stimme klang ehrfürchtig.
Eckhard lächelte sanft. »Reinmar hat deine
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