Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
»Wer …?«
»Ich bin Gudrun, Eberhards Mutter! Ich bin die Köchin und die Frau, die dir das Gift ins Essen streut, wenn du dich nicht anständig benimmst.«
»Aber ich … Eberhard hat Euch sicher gesagt, was …«
»Ach, stammel nicht rum!«, fauchte sie. »Ich weiß alles über dich! Du warst auch einer von denen, die versucht haben, unseren Grafen zu ermorden. Doch Gott hat ihn vor euch beschützt.«
»Und jetzt hat Gott der Herr mich …«
»Nimm seinen Namen nicht in den Mund, du Scheusal!« Ihre Hand krallte sich fester in seinen Arm. »Merk dir eins! Ich diene dem Grafen und der Gräfin. Und wenn ich mitkriege, dass du hier bist, um ihnen zu schaden, schicke ich dich persönlich zur Hölle.«
»Aus der komme ich!«
Sie verschränkte die Arme. »Ein Jammer, dass du nicht dageblieben bist. Ich schäme mich, dass mein Sohn, mein eigener Sohn, dich nicht aufgespießt hat.«
Er hielt ihrem Blick stand. »Er hat mehr getan als das. Er hat mich aus dem Feuer gerettet.«
»Niemals!«
Wulfhard zwinkerte ihr zu. »Warum nicht? Er hat ein gutes Herz, im Gegensatz zu mir. Ich hingegen habe gute Augen.« Er beugte sich vor und flüsterte: »Ich habe den Mann wiedererkannt, der den Grafen hat ermorden wollen.«
»Ist er tot?«, fragte Gudrun scharf.
Wulfhard schüttelte den Kopf, und die alte Frau lachte spöttisch auf. »Hab ich mir doch gedacht. Nichts als Gerede! Verschwinde hier, niemand …« Sie unterbrach sich. »Hat da gerade dein Magen geknurrt?«
Wulfhard zuckte die Achseln.
»Hast du Hunger?«
Wieder ein Schulterzucken.
Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß und stieß ihm endlich den Finger in die Rippen. »Im Kerker kriegt man nicht viel zu essen, wie? Du machst ja jedem Grab Schande, du Gerippe! Komm! Wenn der Graf dich wirklich geschickt hat, kenne ich meine Pflicht. Worauf wartest du?«
»Rigbert hat gesagt, ich darf mich nicht von der Stelle rühren.«
Gudrun schnaubte laut. »Der feiste Wichtigtuer braucht sich gar nichts einzubilden! Bis der zurück ist, hast du dir den Bauch vollgeschlagen.«
»Rigbert macht sich nicht eben beliebt«, bemerkte Wulfhard, während er Gudrun über den Hof in die Küche folgte. Sein Magen krampfte sich bei den verschiedenen Düften schmerzhaft zusammen.
Die alte Köchin machte eine heftige Handbewegung. »Der sieht sich doch schon als Reinmars Nachfolger. Kann gut sein. Getaugt haben sie beide nicht viel!«
»Was meint Ihr damit?«
Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu und verstummte. »Nichts.«
Wulfhard setzte zu einer neuen Frage an, doch die Worte erstarben auf seinen Lippen. Er stieß einen Pfiff aus. Gudrun versetzte ihm einen kurzen, harten Schlag auf den Arm. »Setz dich und hör auf, das Mädel anzugaffen. Kunigunde, gib ihm was zu essen. Nicht, dass er es verdienen würde.« Grummelnd stellte sie sich wieder an die Feuerstelle, während die Küchenmagd Wulfhard mit ausdruckslosem Gesicht Brot und eine Schale Hirsebrei hinstellte. Sogar unter dem formlosen Leinenkleid erinnerte ihr Körper ihn daran, wie lange er keine Frau mehr gehabt hatte.
Wulfhard lächelte strahlend. »Ich danke dir, schönes Kind.«
Um ihren Mund zuckte es, aber sie schwieg.
»Hast du vielleicht noch ein Messer für mich, holdes Kind!«
»Dem gibst du keine Waffe in die Hand, Kunigunde«, schnauzte Gudrun.
Kunigunde erstarrte in der Bewegung, während Wulfhard mit einem übertriebenen Seufzer den Dolch unter seinem Hemd hervorzog und nach dem Brot griff.
Kunigunde keuchte auf. »Das Messer«, sagte sie schwach. »Es ist ungarisch. Woher hast du es?«
»Ein … Geschenk.« Er tauchte sein Brot in den Brei, bis es troff. »Das schmeckt wunderbar! Du bist ein Engel, Kunigunde.«
Sie zögerte und setzte sich neben ihn. »Bist du so ausgezehrt, weil du im Krieg warst?«
»Er ist ein Verschwörer und Mörder und lebt nur noch, weil der König gnädig war. Zu gnädig, wenn du mich fragst!«, fuhr Gudrun auf.
Wulfhard zuckte unmerklich zusammen. »Die heilige Schrift lehrt Gnade«, sagte er und suchte Gudruns Blick. Der Hass der alten Frau ließ ihn nicht unberührt. »Oder gilt das hier in Buchhorn nicht?«
»In Buchhorn glauben wir, dass man sich Gnade verdienen muss.« Gudruns Mund war hart.
»Und doch war ein Mann, der nach Eurer eigenen Aussage nichts taugt, Verwalter des Grafen«, wandte Wulfhard ein.
Fleckige Röte überzog Gudruns rundliche Wangen. »Willst du den Grafen kritisieren? Reinmar war ein Tunichtgut, der seine Finger nicht von den Frauen
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