Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
Stimme erstarb unter Eckhards eisigem Blick.
»Und dafür hätte Hilde sich hergegeben?«
»Na ja, vielleicht.«
»Und Ihr? Schämt Ihr Euch nicht? Gott hat diesem Mann eine zweite Chance gegeben, und Ihr maßt Euch an, über ihn zu richten?«
»Und weshalb hat er eine zweite Chance verdient?«, entgegnete Rigbert hitzig. »Wir haben uns jahrelang auf Buchhorn krumm gearbeitet, bis der Graf zurückkam und uns endlich anständig entlohnt hat, und der Verräter soll sich hier einnisten dürfen? Nennt Ihr das gerecht?«
»Ich bete lieber zu einem gnädigen Gott als zu einem gerechten«, sagte Eckhard ernst. »Aber nun genug davon. Wer hat Hilde am besten gekannt?«
»Anna und sie haben sich eine Kammer geteilt.«
»Dann will ich mit Anna reden. Aber vorher möchte ich Reinmars Unterkunft sehen.«
Schweigend ritten sie in den Hof. Vor dem Stall saßen sie ab, und Rigbert brüllte: »Wulfhard! Kümmere dich um die Gäule, aber hurtig!«
Es dauerte eine Weile, bis Wulfhards hagere Gestalt in der Tür des Stallgebäudes auftauchte. »Demnach habe ich die Wahrheit gesagt?«
»Werd ja nicht frech. Von jetzt an ist es vorbei mit deiner Großmäuligkeit!«
Wulfhard setzte zu einer Entgegnung an, doch er hielt inne, da er Eckhard bemerkte, der ihn mit hochgezogenen Brauen musterte. »Oh, der Mönch!« Er deutete eine Verbeugung an. »Keine Sorge, ich mach keinen Ärger.« Er griff nach den Zügeln, zögerte aber kurz, weil er eine Bewegung zu seinen Füßen spürte.
Unbeherrscht trat Rigbert nach dem kleinen Hund. »Ist das Mistvieh schon wieder da? Ich habe Gudrun befohlen, den Köter wegzujagen!«
»Wie mich?« Wulfhards Blick streifte Rigbert, aber es waren Eckhards Züge, an denen er hängen blieb, als er sich bückte und dem Hund über den struppigen Kopf fuhr. »Ich scheine einen Freund gefunden zu haben. Diesmal einen echten, oder, Mönch?«
Eckhard lächelte. »Ich sehe mit Freude, dass du anfängst, Demut zu lernen. Und was Euch angeht, Rigbert, ich denke, die Pferde sind bei ihm in guten Händen. Bringt mich zu Reinmars Zimmer und sagt Anna, dass sie sich bereithalten soll.«
Während Wulfhard die Pferde in den Stall führte, begleitete Rigbert den Mönch zu der Kammer seines Bruders. Er öffnete die Tür und ließ Eckhard den Vortritt. »Schaut Euch ruhig um. Es ist alles unverändert.«
Die Sonne, die durch das schmale Fenster drang, beleuchtete ein einfaches Bett, einen Hocker, auf dem noch ein Wasserkrug stand, und eine Truhe unter dem Fenster. »Euer Bruder hat nicht viel besessen«, stellte Eckhard fest, während er überprüfte, ob der Deckel der Truhe sich öffnen ließ.
Rigbert machte eine unbeherrschte Bewegung, als das Holz mit leisem Ächzen nachgab. »Wie gesagt, es gab kaum eine Möglichkeit, Reichtümer anzuhäufen. Ihr werdet nur ein paar Kleider finden.«
»Habt Ihr Euch schon Euer Erbe geholt?« Eckhard lächelte dünn, und Rigberts kleine Augen verengten sich noch mehr.
»Ich bin kein Dieb! Es fehlt nichts. Seht nach!«
Eckhard kniete sich vor die Truhe und nahm ein Kleidungsstück nach dem anderen heraus. Wenig später blickte er auf eine saubere Tunika, ein altes Wams, einen Lederharnisch und einen abgetragenen, aber warmen Umhang für den Winter. Seine Hand tastete weiter, bis er unter einer alten Pferdedecke fündig wurde. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er eine Ledertasche und eine schmale Scheide hochhielt. »Was ist das?«
Rigbert sah flüchtig hin. »Beutestücke aus Ungarn. Nicht wertvoll, aber mein lieber Bruder hat gern damit angegeben. Und die Weiber waren bei einem echten Helden noch williger.« Er lachte hässlich auf.
»Und das Messer, das in die Scheide gehört?«
»Er wird’s dabeigehabt haben«, meinte Rigbert trocken. »Geholfen hat es ihm allerdings nicht. Wird jetzt wohl im Besitz seines Mörders sein.« Er warf Eckhard einen lauernden Blick zu, aber der starrte nur wie gebannt auf die Gegenstände in seinen Händen. »Holt mir Wulfhard her.«
»Den …? Wozu?«
Eckhards Augenbrauen rutschten ein Stück nach oben.
Rigbert murmelte etwas und schloss die Tür lautstark. Als er allein war, bekam Eckhards Gleichgültigkeit Risse. Seine Hände zitterten, während er den Lederbeutel von seiner Kordel nestelte und neben die Tasche aus Rigberts Truhe hielt. Beide wiesen die gleiche verzierte Deckplatte mit ihren verschlungenen Symbolen, Kreisen und Rauten auf.
»Alles ungarisch! Heidnische Sonnensymbole!« Er spie das Wort regelrecht aus. »Und wieder
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