Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
auf!«
Die blassen Augen des Imkers funkelten: »Halt dich raus! Was glaubsch du, warum wir dich mitgnomme habe? Damit uns nachher niemand vorwerfe kann, dass wir Unrecht getan habe.« Er lachte bitter. »Net, wenn du dabei bisch, Schmied!«
Gerald starrte ihn an. Plötzlich war er sehr ruhig. »Und wenn ich es nicht zulasse?« Er spreizte und beugte probehalber die Finger. »Du vergisst, womit ich mein Brot verdiene.«
Zur Antwort riss Dietger an dem Seil. Der Mann kreischte vor Schmerz. Eine Sekunde lang verlor er den Boden unter den Füßen, sodass sein Gewicht nur auf den verdrehten Armen lastete. »Die habe Reinmar umbracht.«
»Haben sie?«, stieß Gerald hervor.
»Ja.«
»Vielleicht hast du recht.« Der Mann in der Schlinge wimmerte auf, aber Gerald sah ihn nicht einmal an. »Aber dann fallen sie unter die Gerichtsbarkeit des Grafen. Nicht unter deine!«
»Das isch die Straß, da gilt kei Recht!«
Gerald ballte seine Fäuste. »Wie du willst!«
Ein Schmerzensschrei lenkte ihn ab. Er fuhr herum und sah, wie einer der Spielleute sich auf dem Boden zusammengekrümmt hatte, dem anderen war es gelungen, sich loszureißen. Mit vor Wut und Angst entstelltem Gesicht ging er zum Angriff über. Im Sonnenlicht blitzte ein Messer. Gerald handelte, ohne nachzudenken. Er stürzte sich auf Dietger und trat ihm die Beine weg. Der Strick glitt aus der Hand des Imkers. Nachdem der Schmied sich vergewissert hatte, dass der Spielmann schluchzend, aber unverletzt in die Knie gebrochen war, drängte er sich zwischen die Kämpfenden. Das Messer fuhr dicht an seinem Gesicht vorbei. Gerald dachte an seinen Kampf mit Wulfhard, sprang zur Seite und donnerte dem Mann die Faust ins Gesicht. Das Geräusch, mit dem seine Nase brach, hatte jähe Ernüchterung zur Folge.
Gerald holte tief Atem und drehte sich zu Dietger um. »Reicht das jetzt?«
Dietger rappelte sich auf und wich seinem Blick aus. »Und was schlagsch jetzt vor?«
»Wir regeln das vernünftig!« Gerald baute sich vor den Spielleuten auf. »Damit ihr es wisst, wir haben ganz klar gesagt, dass ihr Buchhorn nicht verlassen dürft, bis die Morde geklärt sind. Dietger hat schon recht, eure Flucht macht euch verdächtig. Ihr werdet uns zum Anwesen des Grafen begleiten. Wenn ihr uns gutwillig folgt, macht ihr es euch selbst leichter!«
Die Spielleute sahen einander an, danach blickten sie auf Dietger. Einer nach dem anderen nickte.
»Dann los! Bis zum Nachmittag sind wir da. Dort wird sich Eckhard um euch kümmern.«
»Der singende Mönch?« Ein schwaches Lächeln huschte um die aufgeplatzten Lippen eines der Männer. »Gott sei es gedankt!«
»Läster Gott net!«
Gerald brachte Dietger mit einer Handbewegung zum Schweigen.
Sie nahmen die Spielleute in die Mitte und machten sich auf den Rückweg.
In einem langsamen, mühevollen Marsch gelangten sie am späten Nachmittag auf das gräfliche Anwesen. Anna bemerke sie als Erste. Ihr leerer Eimer polterte auf den Boden. »Um Gottes willen, was bringt Ihr da?«
»Reinmars Mörder!«, antwortete Dietger mit verkniffenen Lippen.
Ihr Mund formte ein O, sie wich zurück.
Gerald verdrehte die Augen. »Ist Eckhard noch hier?«
»Der Mönch? Ja, der sitzt in der Küche.«
»Hol ihn her!«
Sie stob davon und wäre beinahe mit Wulfhard zusammengestoßen. Anna schaute zu ihm auf und wurde rot, da er ihr den Arm um die Taille schlang und sie in den Schatten der Stallwand zog.
»Hast du mich gesucht, Kleine?«
»Lass mich, ich muss Eckhard holen«, wisperte Anna, während sie sich ohne Hast befreite. »Die haben die Mörder von Reinmar gefasst.«
»Soso.« Wulfhard schob sie ein Stück beiseite und musterte die kleine Gruppe, die sich um den Brunnen drängte, wo Gerald den drei übel zugerichteten Männern Wasser gab. »Demzufolge sollen es die Spielleute gewesen sein.« Sein Blick wurde plötzlich so hart, dass Anna zurückwich.
»Ich muss den Mönch holen!«, bat sie.
»Warte noch! Wer ist der da, der mit den Armen herumfuchtelt?«
»Das ist der Imker, Dietger.« Anna schlüpfte unter Wulfhards Arm hindurch und verschwand in Richtung der Küche.
Wulfhard blieb auf seinem Beobachterposten. Es dauerte nicht lange, bis Eckhard auf den Hof trat, dicht gefolgt von Anna, Gudrun und Rigbert. Auch der Rest der Dienerschaft hatte sich eingefunden, und bald umringte eine Menschentraube die seltsame Gruppe. Mit einem spöttischen Lächeln sah Wulfhard zu, wie sie gestikulierend ihre Meinung kundtaten. Plötzlich nahm er aus den
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