Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
vorgegangen wäre«, schloss sie vorsichtig. »Und wahrscheinlich Erfolg gehabt hätte. Du glaubst das nicht?«
»Und du?« Salomo nahm ihre Hand in seine und sah ihr unverwandt in die Augen. »Warum möchtest du es so gern glauben?«
Wendelgard ließ den Kopf hängen. »Wegen Udalrich. Es geht ihm nicht aus dem Kopf. Ich glaube, er hält sich für mitschuldig.«
»Warum?«, unterbrach Salomo rasch.
»Weil immer wieder von den Ungarn die Rede ist. Er kennt die Gerüchte, er weiß, wie Ottmar hinter seinem Rücken hetzt! Was, wenn der König ihm irgendwann Glauben schenkt. Udalrich wird nicht reden, er wird lieber …«
»Was?«
»Ich weiß nicht!«, rief Wendelgard unglücklich. »Ich weiß doch auch nicht, was passiert ist. Wenn die Rede auf die Ungarn kommt, ist er ein anderer Mensch! Oh, ich wünschte, es wäre einfach ein Wahnsinniger, der den König hasst!«
»Das würde es allerdings einfacher machen.« Salomo runzelte die Stirn. »Sollte es so einfach sein? Ein Pausanias, ein Königsmörder?«
»Ein was?«
»Entschuldige.« Salomo lächelte ein gelehrtenhaftes kleines Lächeln. »Pausanias hat Philipp den Zweiten ermordet, den Vater Alexanders des Großen, nur um berühmt zu werden. Vielleicht hast du recht, und dann könnte Heinrich beruhigt abreisen.«
»Habe ich das Rätsel gelöst?«
»Schön wäre es.« Salomo tätschelte ihre Hand, ehe er sie freigab. »Es wäre für uns alle eine Last weniger. Jetzt müsste Udalrich ihm noch die Sorge nehmen, dass Arnulf mit den Ungarn paktiert.«
»Und Burchard?«
»Macht sich erfolgreich lieb Kind.« Die Falten um Salomos Mund vertieften sich. »Aber wahrscheinlich ist das das Beste für uns alle. Burchard will den Krieg mit Burgund, da kann er keinen Streit mit Heinrich riskieren. Das ist einer der Gründe, warum Ottmars Verfehlungen nicht weiter verfolgt werden. Er braucht die schwäbischen Welfen gegen die burgundischen.« Er lachte bitter. »Es ist doch nichts schmutziger als Verwandtschaft und Politik. Und ich, Burchards alter Feind, darf vermitteln.«
»Folglich schützt Burchard Ottmar, und du unterstützt das?«, fragte Wendelgard mit einem vorwurfsvollen Unterton. »Er hätte nie freikommen dürfen!«
»Er war nie festgesetzt, Kind.« Salomo griff sich an die Schläfen und massierte sie mit den Fingerspitzen. »Es geht nicht immer nach dem, was gerecht ist. Im Großen siehst du es an Ottmar, im Kleinen an Wulfhard.«
»Dieser widerliche Mensch!«
Salomo wischte sich verstohlen den Schweiß von der Stirn. »Wo bleibt deine christliche Vergebung?«
Wendelgard warf den Kopf zurück. »Ich bin keine Heilige. Aber du, was ist mit dir? Du siehst blass aus!«
»Es geht schon wieder. Ich rede am besten gleich mit Udalrich.« Er stand auf, taumelte und sackte wieder auf seinen Stuhl.
»Salomo!«
Er hob die Hand, während er mit der anderen die Augen bedeckte. »Nur ein Schwindel«, sagte er mühsam. »Gib mir Wein!« Er trank, und während die Farbe in seine Wangen zurückkehrte, strich er beruhigend über Wendelgards Gesicht. »Vielleicht sollte ich doch auf meinen Medicus hören und mich schonen.«
»Dann tu das! Jetzt gleich!«
»Später, Mädchen. Erst muss ich deinem Mann sagen, was für eine gescheite Frau er hat.« Er lächelte gezwungen. »Siehst du, es war nichts.«
H
Udalrich kniete in der Krypta vor dem schlichten steinernen Sarkophag des Heiligen Pelagius. Erst vor wenigen Jahren hatte Salomo seine Gebeine in die Kirche Unsere Liebe Frau geholt und seinen Bischofssitz so nicht nur zu einem Knotenpunkt der Handelswege, sondern auch zur Anlaufstelle für Pilger und Gläubige gemacht. Der Graf betete leise, doch die Worte hallten von den niedrigen Wänden des Gewölbes wider.
»Ich bitte dich, o Herr, gib mir Kraft im Kampf gegen das Alter. Ich spüre es im Schlafen und im Wachen. Lass die Wunden meiner Gefangenschaft ausheilen und nimm die Träume von mir, die mich immer noch heimsuchen. Und bitte, Herr, lass mich Wendelgard noch sehr lange ein fürsorglicher Gemahl und meinen Kindern ein guter Vater sein. Lass sie nicht für meine Schuld büßen. Mea culpa. Mea maxima culpa.« Er hielt inne. »Und beschütze unseren König und vernichte seine Feinde.« Er bekreuzigte sich und stand mühsam auf. »Und gib, dass Ottmar mir einmal im Dunkeln begegnen möge, Herr!«
»Du meinst sicher, dass er dir nicht im Dunkeln begegnet.«
Udalrich fuhr erschrocken herum. »Salomo!«
Der Bischof trat aus dem Schatten einer der vier
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