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Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin
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kann.«

X
    Gerald trat aus dem Haus und sog die Nachtluft ein. Es war kalt geworden. Zwischen Wolkenfetzen wurden vereinzelte Sterne sichtbar. Ein frischer Wind wehte Regentropfen vom Laub der Bäume, Blätter drehten sich in den Pfützen, wo sie langsam zur Ruhe kamen.
    Er dachte an Fridrun, an ihre im Schlaf halb geöffneten Lippen, an die Schatten, die ihre Wimpern geworfen hatten. Er dachte auch daran, dass sie zum ersten Mal schlafen gegangen waren, ohne sich zu versöhnen. »Sie hätte sich nicht mit diesem Sauhund abgeben dürfen«, schimpfte er. »Sie hätte nicht mit ihm in die ›Buche‹ kommen dürfen! Und jetzt soll ich den Mörder auch noch zur Burg kutschieren. Womit denn? Mein Karren ist in Konstanz!«
    Missmutig stapfte er durch den aufgeweichten Boden zum Stall. Die Stute hob den Kopf und schnaubte ihm ihren warmen Atem entgegen. Gerald hielt ihr auf der flachen Hand einen Kanten Brot entgegen. »Backen könnte sie auch mal wieder!«, murrte er.
    Die Stute wieherte leise.
    »Und wie stellt sich Eckhard das vor, dass ich mit Rigbert reden soll? Worüber denn? Soll er doch Wulfhard fragen, wenn die beiden sich so gut verstehen! Verdammt!« Die Stute scheute, da er ihr hart in die Mähne griff und sich auf ihren Rücken zog. »Und dich machen sie jetzt zum Zugpferd. Nicht meine Schuld, altes Mädchen!« Er trabte durch die menschenleere Gasse. Die wenigen Häuser drängten sich schattengleich in die feuchte Dunkelheit. Vor der Hütte des Pfaffen rutschte er vom Rücken der Braunen und klopfte. Einige Zeit später hörte er leise Schritte. Schließlich erschien die schmächtige Gestalt des Geistlichen im Licht einer Kerze. Aus geröteten Augen blinzelte er Gerald entgegen. »Wer da?«
    »Ich bin’s, der Schmied. Gott zum Gruß. Verzeiht die Störung. Kann ich Ansgar sprechen?«
    »Warte.«
    Gerald gähnte und rieb sich die Augen, während er auf die geflüsterten Worte lauschte, die im Inneren der Hütte gewechselt wurden. Kurz darauf erkannte er Ansgars gebückte Gestalt. Die Augen des Spielmanns leuchteten in der Dunkelheit. »Es ist ein Junge! Gelobt sei der Herr, ich habe einen Sohn!«
    Gerald zwang sich zu einem Lächeln. »Das freut mich. Ich wollte …«
    »Es war eine schwere Geburt. Aber mein Sohn ist gesund. Mein eigenes Fleisch und Blut. Tankmar ist wie ein Sohn für mich, aber das ist etwas anderes. Das heißt natürlich nicht, dass ich das Versprechen brechen werde, das ich seinen Eltern vor ihrem Tod gegeben habe. Ich glaube, ich kann jetzt erst ermessen, was für ein Gottesgeschenk eine Familie ist. Möchtet Ihr einen Becher Wein auf das Wohl …«
    »Nein!« Gerald hob die Hand, um den Spielmann zum Schweigen zu bringen. »Ich bin gekommen, um mir deinen Handkarren auszuleihen.«
    »Meinen … ach so!« Ansgar nickte eilfertig. »Was Ihr wollt, Herr. Wirklich keinen Wein?«
    »Nein, danke. Trinkt einen Becher für mich mit. Ich habe zu tun.«
    Er wandte sich ab, aber Ansgar folgte ihm. »Fahrt Ihr zur Burg?«
    »Ja.«
    »Herr, könnt Ihr nicht etwas für meine Freunde tun? Ich verbürge mich dafür, dass sie keine Verbrecher sind!«
    »Ich rede mit Rigbert.« Gerald suchte durch die Dunkelheit Ansgars Blick. »Das wird schon.«
    »Danke. Gott wird es Euch vergelten!«
    In einträchtigem Schweigen machten die beiden Männer sich daran, die Stute vor den Karren zu spannen. Das Tier sträubte sich, als Gerald ihr den Gurt um den Hals legen wollte.
    Ansgar sah eine Weile stumm zu, dann nahm er Gerald den Riemen aus der Hand. »Nicht so, Herr. Ihr erwürgt sie. Darf ich?«
    Gerald trat zur Seite und wartete, bis Ansgar aus dem Haus eine verschlissene Decke geholt hatte. Während der Spielmann sie um den Gurt wickelte, erklärte er: »Das nimmt den Druck. Ich hatte auch einmal ein Pferd, aber das mussten wir verkaufen.«
    »Ihr habt kein einfaches Leben, nicht wahr?«
    Der Spielmann zuckte die Achseln und lächelte. »Ich habe einen Sohn und eine gute Frau. Ich bin dankbar. So, jetzt könnt Ihr aufsitzen. Wenn ihr nicht zu schnell reitet, wird der Riemen halten. Sie ist ein gutes Tier.«
    Gerald nickte. Sein letzter Blick galt der hageren Gestalt, die in der grauen Dämmerung stand, ehe er den Weg zur ›Buche‹ einschlug.
     
    H
     
    Im Schankraum flackerten immer noch zwei Kerzenstümpfe, doch es war der heller werdende Morgen, der es Gerald ermöglichte, die Umrisse der Tische und Hocker zu erkennen. Die Becher waren noch nicht abgeräumt, es stank nach Bier und Erbrochenem. Hannes

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