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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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was dir passiert ist«, sagte Eva ruhig.
    Annadrehte den Kopf zur Säule. Nachdem der Fraß sie ge schändet hatte, hatte sie sich furchtbar beschmutzt gefühlt. Mit niemandem hatte sie darüber gesprochen. Steffen hatte sie halb tot nach Freising zurückgebracht, wochenlang war sie krank gewesen. Obwohl sie sich geschworen hatte, Falconets letzten Wunsch zu erfüllen, hatte sie es nicht fertiggebracht. Das Spiel mannsbuch wegzugeben war, als würde sie Falconet endgültig sterben lassen.
    »Vielleicht bin ich wirklich eine Hexe«, sagte sie bitter. »Etwas an mir reizt die Männer, mich anzufassen.«
    »Die Männer fassen dich an, weil du jung und hübsch bist. Wenn das Hexerei ist, sind wir alle Hexen.« Eva neigte nicht zu theologischen Feinheiten.
    »Meine Eltern hatten recht«, sagte Anna tonlos. »Als ich auf die Straße ging, habe ich mich selbst zur Hure gemacht. Und Ulrich«, ihre Stimme brach ab. Erstickt flüsterte sie: »… Ich kann ihm doch nicht mehr in die Augen sehen!«
    So sehnsüchtig sie an ihre letzte, leidenschaftliche Begegnung dachte, so unerträglich war ihr jetzt der Gedanke an die Berührung eines Mannes. Selbst an seine, obwohl sie sich wie verrückt nach ihm sehnte. Ein Salzhändler hatte ihr von einer Belagerung in der Hohenlohe erzählt. Am Ende lebte Ulrich nicht mehr, sonst hätte er sie längst geholt. Oft hatte sie sich aufgeben wollen, aber immer hatte eine Stimme in ihrem Inneren gesagt, dass es noch nicht so weit war.
    »Glaub nicht, dass es deine Schuld war«, sagte Eva ernst. »Es passiert allen fahrenden Frauen irgendwann. Das erste Mal habe ich mich auch gehasst. Aber es bedeutet gar nichts. Sie haben einen Körper gehabt, das ist alles.«
    Über Annas Gesicht liefen Tränen. Zum ersten Mal seit damals konnte sie wieder weinen. Der Schmerz brach aus ihr heraus, aber zugleich erleichterte es sie unglaublich. Sie umarmte Eva und hielt sich an ihr fest. »Du alte Vettel«, flüsterte sie, aber in ihr Weinen mischtesich ein unterdrücktes Lachen. »Es gibt wohl gar nichts, was du noch nicht erlebt hast!«
    Eva schob sie sanft von sich weg. Anna wischte sich die Tränen aus den Augen. Der Sekretär des Bischofs kam die Treppe herab, sichtlich überrascht, sie ausgerechnet hier, in dem heiligen Bau zu finden. »Komm in den Palast«, befahl er gewohnt einsilbig. »Der Bischof bittet dich, einen Botengang zu übernehmen.«

2
    Zwei Tage später blickten die Reisiger von hastig aufgeschütteten Erdwällen hinab nach Mühldorf. Noch hatte es nicht zur Komplet geläutet. Von hier aus konnte man die Fackeln auf den Türmen se hen, wenn die Wach soldaten unten ihre Runde auf den Mauern machten. Die Männer hielten die Hand ständig am Spieß, ent schlossen, keinen feindlichen Spion einzulassen. Hier hatte ein Kö nig sein Heer lager aufgeschlagen: Ludwig der Baier war seinem Rivalen Friedrich entgegengezogen.
    Die Waffenknechte hoben neugierig die Köpfe, als eine junge Frau mit gerafften Röcken direkt auf sie zurannte und keuchend um Einlass bat. Sie wechselte atemlos geflüsterte Worte mit dem Posten, dann packte er sie am Arm.
    »Verrat, Herr!«, keuchte Anna, als man sie vor dem Scherenstuhl im Zelt des Königs zu Boden warf. »Der Bischof von Freising schickt mich. Herzog Leopold steht bei Fürstenfeld, um Euch in den Rücken zu fallen. In Eurem Heer sollen sich gedungene Mör der befinden. Sie haben den Auftrag, Euch zu töten, ehe es zur Schlacht kommt!«
    Atemlos sank ihr Kopf auf die Brust. Sie war geritten, so schnell eine Gauklerin konnte. Oft hatte sie sich im letzten Augenblick ins Gebüsch gerettet, wenn Ritter durch die Auwälder galoppierten. Kurz vor dem Ziel war das Pferd in einem Erdloch gestolpert. Has tig hatte sie das lahmende Tier angebunden und war die letzte Strecke gerannt. Ihr Kleid war schweißfeucht, und trotz des Koh lenbeckens fror sie. Aber ihre Augen leuchteten wieder. Zum ers ten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich nicht mehr nur als ehrlose Vagantin, sondern hatte eine Aufgabe.
    Ludwigwar aufgesprungen. »Meuchelmörder?«, wiederholte er. Er war totenbleich geworden. Offenbar hatte er noch nicht ge schlafen, denn neben dem Stuhl lag ein aufgeschlagenes Buch. Aber er trug weder Rüstung noch Mantel, sondern nur eine lange blaue Cotte aus feinem Leinen. Das rötlich blonde Haar hing ihm, nicht zu Locken gedreht, glatt herab und ließ sein Gesicht schma ler und die beweglichen Augen größer wirken.
    »Euer Spion …« Anna reichte ihm den Brief. »Er

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