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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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sie ihn noch nie gesehen hatte, kannte jedes Kind im Lech rain diesen Namen. Heinrich von Wolfsberg war ein schwäbi scher Ritter, der seine Plünderungen mit Vorliebe bei Landsberg unternahm. Wegen seiner unersättlichen, wölfischen Gier nannte man ihn den »Fraß«. Fröstelnd zog sie die Schultern zusammen.
    »Es könnte durchaus sein, dass der Fremde einen neuen An griff unternimmt. Wir haben zwar nicht viel Platz, aber es wäre sicherer, wenn du vorerst auf der Burg bleiben würdest.«
    »Ich bin es gewohnt zu arbeiten«, versicherte Anna. Auch wenn es seine Pflicht war, sie zu schützen, war sie Ulrich unendlich dank bar. Und sicher hatte er nichts dagegen, dass sie so in seiner Nähe sein würde.
    »Gut. Jutha ist schwanger«, erklärte er. Der Name seiner Ge mahlin kam ihm beiläufig über die Lippen, doch Anna versetzte es einen Stich. Das hatte sie nicht gewusst. Sie hatte es nie fertig gebracht, mit ihm über seine Frau zu sprechen.
    »Du wirst ihr und Gertraut zur Hand gehen.« Ein Küchenmäd chen, das über den Hof kam, blickte vielsagend von Anna zu ihm und kicherte verstohlen. Ulrich bemerkte es. Mit einem kurzen Ni cken beendete er das Gespräch und rief den Waffenmeister. »Mein Vater wird sich daran gewöhnen müssen, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe«, hörte Anna ihn halblaut auf eine Frage antworten. Er sah sich nach ihr um und zog den alten Kämpen von den Frauen weg zur Rüstkammer. »Diese Plünderung ist eine Strafe Gottes. Wenn ich meine Abgaben nicht eintreibe, werde ich mir wieder Vorwürfe anhören müssen. Aber tue ich es doch, laufen mir noch mehr Bauern davon.«
    Gertraut stieß sie an. »Starr ihn nicht so an, wenn du einen Rat willst. Herr Ulrich ist ehrgeizig, der will nach oben, nicht nach unten.Und meistens bekommt er, was er will: Als Kind war er so kränklich, dass sein Vater ihn ins Kloster schicken wollte. Aber Ulrich hat mit dem Schwert geübt, bis er Muskeln ansetzte. Jetzt träumt er vom Dienst bei Hof, von Turnieren und Kriegszügen. Er zahlt den abgemachten Lohn, es gibt zu essen, und er greift den Mägden nicht unter den Rock – zumindest bisher nicht«, sagte sie misstrauisch. »Also stell dich besser gut mit seiner Frau, die hat hier nämlich viel zu sagen.«
    Anna blickte zur Seite, und die Alte sah sie beinahe mitleidig an. »Was findet ihr jungen Dinger bloß an der Liebe? Entweder die Kerle tun einem weh, oder man bekommt einen Bauch davon. Schlimmstenfalls beides.« Ehe Anna fragen konnte, ob sie hierin ihre Erfahrungen hatte, hob Gertraut den Eimer vom Brunnen rand. Angewidert schob sie mit dem Fuß eine tote Ratte zur Seite. »Los, mach dich nützlich, du bist nicht hier, um Maulaffen feil zuhalten!«
    Regina hob die Brauen und machte sich aus dem Staub zur Schusterbude. Gemeinsam schleppten Anna und Gertraut das Wasser über den Hof, um die Pferde zu tränken. Anschließend sa hen sie nach den Vorräten. Überwältigt stand Anna im Kellerhaus. Im Halbdunkel türmten sich säuerlich riechende Fässer mit Kraut und in Salz und Essig eingelegtem Gemüse. Dinkel und Roggen waren kaum von Mäusen verunreinigt. Als sie die wacklige Leiter zum Dachboden hinaufstieg, war der Boden mit Kirschen, Birnen und Pflaumen bedeckt, die zum Trocknen auslagen und verlo ckend dufteten. In ihrem Elternhaus gab es nur zwei Apfelbäume.
    »Komm endlich da runter!«, rief Gertraut unwirsch von unten. »Ich sehe schon, du wirst mich nicht verdrängen, so faul, wie du bist. Ich weiß gar nicht, warum der Herr dich überhaupt hierbe hält. Was meinte er vorhin, mit diesem fremden Ritter?«
    »Ulrich tut nur seine Pflicht! Dieser Ritter wollte mich töten.« Anna blieb auf der Leiter stehen. Sie dachte an die Augen des Fremden, die bis auf den Grund ihrer Seele zu sehen schienen, und dannan das Blut an seinen Händen. Hasserfüllt setzte sie nach: »Ich habe ihn zum Teufel gewünscht!«
    »Jesus Maria!« Die Alte bekreuzigte sich. »Du hast einen Fluch ausgesprochen?«
    Anna antwortete nicht, aber ihre Finger klammerten sich an die Leiter. So genau wusste sie nicht mehr, was sie in ihrer Ver zweiflung gesagt hatte. Als sie gestern verängstigt in Ulrichs Arme gefallen war, hatte sie nichts davon erwähnt. Plötzlich begriff sie, wie gefährlich dieses Versäumnis war.
    »Gegen einen Ritter! Du arme Närrin!«, stöhnte Gertraut. »Ist dir klar, was du angerichtet hast?«
    Anna ahnte die Antwort, es war ein entsetzliches Gefühl.
    »Dieser Mann wird dich bis ans Ende der

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